FPÖ spricht von größtem Sicherheitsskandal – Oberreiter-Affäre weitet sich aus.
Auf einen Blick: Nach den Enthüllungen von Fass ohne Boden zur Doppelleben-Affäre um Botschafter Thomas Oberreiter sieht die FPÖ massiven Aufklärungsbedarf. Michael Schnedlitz spricht von einem „klassischen Fall von Erpressbarkeit“ und erhebt schwere Vorwürfe gegen ÖVP und NEOS.
Was passiert ist: Bei der heutigen Pressekonferenz erörterten die freiheitlichen Generalsekretäre Michael Schnedlitz und Christian Hafenecker. Im Fokus der Diplomat, einst EU-Spitzendiplomat mit Zugang zu vertraulichen NATO- und Ratsdokumenten, wurde versetzt. Grund sind öffentlich gewordene Inhalte mit frauenverachtenden, gewaltverherrlichenden und sexualisierten Szenen, teils mit dienstlichem Bezug.
Hauptvorwürfe laut FPÖ:
- Teile der Blogbeiträge wurden mutmaßlich während der Dienstzeit verfasst, teilweise über Infrastruktur des Außenministeriums.
- Oberreiters Diensthandy soll ausgespäht worden sein, wie der Standard berichtet. Interne Hinweise deuten auf Vorfälle auch abseits des Internets hin.
- Die Erpressbarkeit Oberreiters sei nicht auszuschließen: Er hatte Zugang zu streng vertraulichen Dokumenten der EU und NATO.
- Konkrete Fragen bleiben unbeantwortet: „War er erpressbar? Wurde er erpresst?“, so Schnedlitz.
Verbindung zum Hackerangriff 2019/2020
Die FPÖ bringt den Skandal in Verbindung mit dem Hackerangriff auf das Außenministerium um Silvester 2019/2020.
Dabei sei über einen versteckten Code in einem Video ein interner Angriff erfolgt, ausgelöst durch eine interne Mail.
Brisant: Eine mit dem Blog verknüpfte Adresse (caro-n@hotmail.com) soll laut FPÖ in geleakten Daten von 2019 aufscheinen.
- Der Rechnungshof beziffert den Schaden mit mindestens 1,69 Millionen Euro.
- Ex-Minister Schallenberg hatte öffentlich behauptet, es sei kein Schaden entstanden. Laut Schnedlitz eine gezielte Verharmlosung.
Vertuschung und Verantwortung: Die FPÖ sieht einen Vertuschungsversuch durch ÖVP und NEOS.
- Die Versetzung Oberreiters habe den Skandal „unter den Teppich kehren“ sollen.
- Ob es Hinweise auf Koglers Whistleblower-Plattform gab, die ignoriert wurden, sei zu prüfen.
- Die aktuelle dienstliche Verwendung Oberreiters sei nicht transparent. „Ein untragbarer Zustand“, so Schnedlitz.
Schnedlitz sprach von einem sicherheitspolitischen Skandal und kritisierte das Schweigen der Bundesregierung. Es sei nicht hinnehmbar, dass ein Diplomatenposten mit Zugang zu vertraulichen EU- und NATO-Dokumenten von einer derart belasteten Person besetzt gewesen sei.
Neue Whistleblower-Plattform
Die FPÖ kündigte heute die Plattform BMEiA-Watch an. Ziel:
Meldungen über Mobbing, Belästigung, toxische Führung, Netzwerke der Nähe und unfaire Personalentscheidungen im Außenministerium.
Schnedlitz: „Wir wollen ein System schaffen, das die Mauer des Schweigens im Ministerium durchbricht.“
Zum Plattform: www.bmeia-watch.at

Offene Punkte laut FPÖ:
- Ist Oberreiters Diensthandy noch im Umlauf oder sichergestellt?
- Gibt es Beweise für eine Erpressung?
- Wer wurde nach dem Hackerangriff mit der Bereinigung beauftragt?
- Wurden Hinweise über Koglers (BKA) Whistleblower-Plattform unterdrückt?
- Was ist Oberreiters aktuelle Position?
- Wurden die Sicherheitslücken seit 2019 geschlossen?
Parallelstaat, Postenschacher & Presseversagen
Christian Hafenecker über den „tiefen Staat der ÖVP“, Michael Spindelegger, Sebastian Kurz und das System Außenministerium.
Die Affäre Oberreiter ist kein Einzelfall. Laut Hafenecker steht dahinter ein über Jahrzehnte gewachsenes Netzwerk, das parteipolitische Loyalität über Qualifikation stellt, mit Folgen für Diplomatie, Demokratie und öffentlichen Anstand. Für die FPÖ handelt es sich dabei um eine fortgesetzte Malversationen und strukturellen Machtmissbrauch, der das Vertrauen in die Institutionen zerstöre.
ORF schweigt – Reuters berichtet
Für Empörung sorgt laut Hafenecker auch die selektive Berichterstattung. Während die internationale Presse – etwa Reuters, Euronews, Telegraph oder RTL – den Skandal aufgreift, schweigt der ORF. Das Ergebnis: Österreich rutscht im Pressefreiheitsindex weiter ab, der öffentlich-rechtliche Rundfunk gilt für viele inzwischen als „Teil des Systems“.
„Krypto-ÖVPlerin“ Meinl-Reisinger
Besonders scharf geht Hafenecker mit Außenministin Beate Meinl-Reisinger ins Gericht. Trotz Regierungsverantwortung als Arbeits- und Gleichbehandlungsministerin schweigt sie zur Causa.
Hintergrund: Ihre Karriere begann in der ÖVP, sie war u. a. Mitarbeiterin von Othmar Karas, Kabinettsmitarbeiterin unter Christine Marek und später Referentin in der Wiener ÖVP-Zentrale.
Diskriminierung mit System: Der SM-Skandal geht weit über einen Blog hinaus. Hafenecker verweist auf dokumentierte Fälle struktureller Diskriminierung bei der Besetzung von Botschafterposten:
- Gerhard Maynhart wurde trotz Qualifikation übergangen, stattdessen wurde Etienne Berchtold, Ex-Sprecher von Kurz, zum Botschafter in Abu Dhabi gemacht. Die Begründung laut Protokoll: Berchtold habe „im Callcenter gearbeitet“.
- Die Gleichbehandlungskommission bestätigte Diskriminierung, aufgrund von Alter und Weltanschauung.
- In der entscheidenden Kommission saß ebenjener Beamte, der nun wegen sexuell anstößiger Inhalte auffiel.
- Walter Gehr wurde für das Kulturforum Paris durch Julia Dallinger ersetzt, 18 Jahre jünger, ohne erkennbare Kulturerfahrung.
Netzwerk der Spindelegger-Ära
Der Kern des Problems: Ein festes ÖVP-Machtgefüge, das sich über Jahrzehnte im Außenministerium verankert hat. Die zentrale Figur: Michael Spindelegger.
- Sigrid Berka: Vorsitzende beider Gleichbehandlungskommissionen, Kabinettsmitglied unter Spindelegger, Plassnik und Kurz.
- Nikolaus Marschik: einst Kabinettsmitglied, heute Generalsekretär des BMEIA.
- Alexander Schallenberg: Ex-Pressesprecher Spindeleggers, später Außenminister und Bundeskanzler.
- Thomas Oberreiter: Kabinettschef und „Personalstratege“.
Diese Achse kontrollierte über Jahre Personalentscheidungen, Aufstiegspfade und Informationsflüsse.
Projekt Ballhausplatz
Als Außenminister (2008–2013) baute Spindelegger sein Netzwerk strategisch auf:
- Spindelegger holte Kurz, Schmid, Schallenberg, Oberreiter und Berka ins Haus.
- Beförderte sie in Schlüsselpositionen, besetzte Botschafterposten parteinah.
- Kurz wurde gezielt aufgebaut, Spindelegger übergab ihm das Ministerium.
Die Kabinettstruktur diente als Brutkasten für das spätere System Kurz, so Hafenecker.
Abu Dhabi, Signa und Millionen
Die Causa gewinnt internationale Dimensionen:
- Kurz, Berchtold und Benka reisten gemeinsam nach Abu Dhabi, kurz darauf flossen 500 Millionen Euro vom Staatsfonds Mubadala an Signa.
- Der durch Signa entstandene Schaden beträgt inzwischen über 700 Millionen Euro.
Forderungen der FPÖ
Hafenecker fordert:
- Suspendierung aller Beteiligten, insbesondere des Beamten mit Blogvergangenheit
- Neubesetzung parteinaher Kommissionen in allen Ministerien
- Transparente Ausschreibungen für Schlüsselpositionen
- Offenlegung aller Kommunikationsstränge zwischen Kurz, Berchtold, Benko und Schmid
- Ende der politischen Einflussnahme im öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.
Quelle: PK FPÖ zum Nachsehen: