Ein Angriff auf die Pressefreiheit in Österreich, der in dieser Form Neuland darstellt. Eine Geschichte über politischen Druck, juristische Absurditäten und den Versuch, das investigative Medium „Fass ohne Boden“ mundtot zu machen.
Ein beispielloser Vorgang
Am 12. August 2025 erreichte die Redaktion von Fass ohne Boden ein Schreiben der österreichischen Datenschutzbehörde (DSB). Der Ton war amtlich, die Forderungen scharf: FoB solle zu einer Reihe von Fragen zu unserer journalistischen Arbeit Stellung nehmen, die sich – so unser Eindruck – nicht aus rechtlichen Gründen, sondern aus politischer Motivation ergaben.
Die Datenschutzbehörde verlangte Antworten, die ein investigatives Medium nicht zu geben verpflichtet ist. Fragen, die direkt in die redaktionelle Arbeit eingreifen und damit die journalistische Unabhängigkeit attackieren.
Was hier passiert, ist mehr als ein Verwaltungsakt. Es ist ein Versuch, mit Hilfe des Datenschutzrechts ein Medium unter Druck zu setzen, das mit unbequemen Enthüllungen für Aufsehen sorgt.
Wortlaut des Fragenkatalogs
„Sie werden aufgefordert, innerhalb einer Frist von vier Wochen ab Erhalt dieses Schreibens folgende Fragen zu beantworten:
- Auf welche konkrete Rechtsgrundlage wird die Verarbeitung personenbezogener Daten gestützt?
- Inwiefern trägt die geplante Veröffentlichung von personenbezogenen Daten der Familienangehörigen der 105 Abgeordneten zu einer Debatte von allgemeinem Interesse bei?
- Welche Informationen zu Familienangehörigen sollen veröffentlicht werden?
- Welche Informationen zu den 105 Abgeordneten sollen veröffentlicht werden? Nur öffentlich verfügbare oder auch solche, die nicht öffentlich verfügbar sind? Nur solche, welche die berufliche Tätigkeit der Abgeordneten betreffen oder auch solche, die sich auf ihr Privat- und Familienleben beziehen und keinen Bezug zur beruflichen Tätigkeit haben?
- Laut den verfügbaren Informationen ist derzeit offenbar nur angedacht, Fotos mit Kindern unkenntlich zu machen. Im Umkehrschluss kann daraus aber abgeleitet werden, dass sonstige Informationen zu Kindern (bspw. Alter, Anzahl) durchaus veröffentlicht werden sollen.“
Das Dokument schließt mit folgendem Wortlaut:
„Überdies macht die Datenschutzbehörde auf ihre Befugnisse nach § 22 DSG (Einschau) aufmerksam, ebenso auf ihre Befugnisse nach Art. 58 DSGVO. Weiters hat die Datenschutzbehörde die Möglichkeit, Personen vorzuladen, deren Erscheinen nötig ist.“
Das bedeutet nichts anderes, als dass die DSB sich das Recht herausnimmt, direkt in Redaktionsunterlagen Einsicht zu nehmen. Ein Vorgang, der in Österreich beispiellos ist und die Grenze zwischen Datenschutz und direktem Eingriff in die Pressefreiheit überschreitet.
Fragen der Behörde
Das Schreiben der DSB gliederte sich in drei Punkte:
- Zu Punkt I:
Die Behörde wollte detaillierte Auskünfte zu Datenverarbeitungen von FoB. Fragen, die Medienunternehmen in dieser Form nicht beantworten müssen, weil sie unter das Medienprivileg fallen. - Zu Punkt II:
Es wurde die Einhaltung von Informationspflichten und Cookie-Richtlinien beanstandet. - Zu Punkt III:
Die DSB behauptete, das Medienprivileg nach § 9 DSG greife nicht. Mit anderen Worten: Journalistische Datenverarbeitung sei angeblich nur eingeschränkt geschützt.
Diese drei Punkte zusammen ergeben ein klares Muster: Der Versuch, Fass ohne Boden in einen administrativen Würgegriff zu nehmen. Mit anderen Worten: Die Behörde droht uns mit nichts Geringerem als einer Hausdurchsuchung und Beschlagnahmung von Daten.
Die Datenschutzbehörde hält sich ausdrücklich vor, bei FoB Einschau in redaktionelle Unterlagen und Datenverarbeitungen zu nehmen. Im Extremfall will sie sogar unsere Räume betreten, Systeme in Betrieb setzen und Kopien von Datenträgern herstellen. Bei vermeintlicher „Gefahr im Verzug“ könnte sie die Weiterführung unserer journalistischen Arbeit per Bescheid untersagen. Und damit nicht genug: Sie droht mit Geldbußen und der persönlichen Vorladung von Redakteuren.
Warum das brisant ist
Die Datenschutzbehörde ist keine politische Abteilung, sondern eine unabhängige Kontrollinstanz. Zumindest sollte sie es sein. Doch das Schreiben an FoB zeigt das Gegenteil: eine gefährliche Nähe zwischen Politik und Behörde.
Dass dieses Schreiben unmittelbar nach der Veröffentlichung des Artikels „Der perverse Botschafter“ und „Messenger-Gesetz: Die Liste“ bei FoB erfolgte, ist kein Zufall. Es ist ein klares Indiz für eine politische Retourkutsche. Die Botschaft: Wer in Österreich die Mächtigen bloßstellt, muss mit Repression rechnen.
Das ist Neuland. Noch nie zuvor hat die DSB in dieser Form versucht, ein Medium mit dem Datenschutzrecht zu attackieren. Noch nie zuvor wurde der Schutzschild der Pressefreiheit so offensichtlich ignoriert.
Über das Medienprivileg
Das österreichische Datenschutzgesetz (§ 9 DSG) ist eindeutig:
- Journalistische Tätigkeiten sind von weiten Teilen der DSGVO und des DSG ausgenommen.
- Medienunternehmen genießen ein Medienprivileg, das ihre redaktionelle Arbeit schützt.
- Dieses Privileg gilt insbesondere dann, wenn es um Personen des öffentlichen Lebens geht, die im Zentrum demokratischer Kontrolle stehen.
Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass Politiker eine höhere Toleranzschwelle gegenüber Kritik und Berichterstattung haben müssen (z. B. OGH 6 Ob 149/01g). Auch der Verfassungsgerichtshof betont: Pressefreiheit ist ein Kernbereich der Demokratie.
Die Antwort von FoB
Fass ohne Boden hat der Datenschutzbehörde am 6. September 2025 offiziell geantwortet. Die Antwort ist nicht nur eine juristische Klarstellung, sondern eine scharfe Abrechnung mit einem Einschüchterungsversuch.
Nachfolgend der vollständige Wortlaut der Antwort:
„Geschäftszahl: D213.3452 / 2025-0.564.706
Betreff: Stellungnahme zum Schreiben vom 1. August 2025
Sehr geehrte Damen und Herren,
bezugnehmend auf Ihr Schreiben vom 1. August 2025 nimmt die Redaktion von Fass ohne Boden wie folgt Stellung:
Zu Punkt I)
Gemäß § 9 Datenschutzgesetz (DSG) ist FoB Presseagentur e.U. (Fass ohne Boden) als Medienunternehmen im Sinne des Mediengesetzes, BGBl. Nr. 314/1981, ausdrücklich privilegiert. Für Medien gelten die dort vorgesehenen Ausnahmeregelungen, die auch die von Ihnen aufgeworfenen Fragen betreffen.
Gemäß § 9 DSG sind journalistische Tätigkeiten von wesentlichen Teilen der DSGVO und des DSG ausgenommen, soweit die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Ausübung dieser Tätigkeit erforderlich ist. Dieses sogenannte Medienprivileg schützt ausdrücklich die redaktionelle Arbeit von Medienunternehmen in ihrer Rolle als Watchdog.
Abgeordnete zum Nationalrat sind Personen des öffentlichen Lebens, deren Tätigkeit im besonderen Interesse der Allgemeinheit steht. Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt festgehalten, dass bei Personen mit politischem Mandat eine erhöhte Toleranzschwelle gegenüber Berichterstattung besteht (vgl. OGH 6 Ob 149/01g). Auch der Verfassungsgerichtshof betont in ständiger Rechtsprechung, dass die Kontrolle der politischen Klasse durch Medienberichterstattung einen Kernbereich der verfassungsrechtlich garantierten Pressefreiheit (Art. 13 StGG, Art. 10 EMRK) darstellt.
Die journalistische Verarbeitung von Informationen über Abgeordnete – wie etwa Lebenslauf, Einkünfte, Vereins- und Netzwerkzugehörigkeiten – ist daher nicht nur zulässig, sondern für die demokratische Kontrolle unverzichtbar. § 9 DSG stellt klar, dass für diese Form der Datenverarbeitung das Medienprivileg gilt, solange ein Zusammenhang mit der journalistischen Tätigkeit besteht.
Wir weisen darauf hin, dass Fass ohne Boden – als investigatives Medium und Medien Hub – nicht verpflichtet ist, auf die unter Punkt I) gestellten Fragen einzugehen. Der Versuch, diese dennoch einzufordern, wird von unserer Redaktion als Einschüchterungsversuch gewertet, der offenkundig aus dem politischen Bereich lanciert wurde.
Ein derartiger Versuch, über das Datenschutzrecht Druck auf ein unabhängiges Medienunternehmen auszuüben, ist in Österreich bislang einzigartig. Er wirft ernsthafte Zweifel an der Unabhängigkeit der Datenschutzbehörde selbst auf. Dass die Datenschutzbehörde mit den Bestimmungen des DSG vertraut ist, darf als selbstverständlich vorausgesetzt werden.
Der zeitliche Zusammenhang Ihres Schreibens mit der Veröffentlichung des Artikels „Der perverse Botschafter“ (https://www.fob.at/der-perverse-botschafter) über den Sadomaso-Botschafter ist evident und wirft die Frage auf, ob hier eine politische Motivation der eigentliche Grund für Ihr Vorgehen ist.
Zu Punkt II)
Die Informationspflichten und der Einsatz von Cookies wurden inzwischen überprüft und sind nunmehr datenschutzkonform und entsprechen den Vorgaben des DSG.
Abrufbar unter: https://www.fob.at/cookie-richtlinie-eu/ und https://www.fob.at/datenschutz/

Zu Punkt III)
Auch in diesem Zusammenhang ist § 9 DSG einschlägig. Als Medienunternehmen ist Fass ohne Boden privilegiert, soweit Datenverarbeitungen zur Ausübung journalistischer Tätigkeit erforderlich sind. Die Behauptung, dass trotz Medienprivileg sämtliche Regelungen des Datenschutzrechts in vollem Umfang Anwendung finden würden, entbehrt einer gesetzlichen Grundlage.
Wir halten daher fest, dass die Fragen unter Punkt I) an uns nicht zu richten sind. Jeglicher Versuch, uns anderweitig dazu zu verpflichten, ist als unzulässiger Eingriff in die Pressefreiheit sowie in die verfassungsrechtlich geschützte Meinungsfreiheit zu werten.
Schlussbemerkung:
Fass ohne Boden wird auch künftig seine Arbeit als unabhängiges investigatives Medium fortsetzen und sich von Einschüchterungsversuchen – gleichgültig ob politisch oder administrativ motiviert – nicht beeindrucken lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Surowiec
FoB Presseagentur e.U. (Fass ohne Boden)“
Ein Präzedenzfall
Dieser Fall geht weit über Fass ohne Boden hinaus. Wenn die DSB mit solchen Methoden durchkommt, bedeutet das:
- Jedes investigative Medium könnte morgen ins Visier geraten.
- Datenschutzrecht wird als Waffe gegen Pressefreiheit missbraucht.
- Behörden werden zu Erfüllungsgehilfen politischer Interessen.
Das ist kein Verwaltungsakt mehr. Das ist eine Gefährdung der Demokratie.
Fazit und Ausblick
Die Attacke der Datenschutzbehörde ist nicht nur eine juristische Posse, sondern ein Angriff auf die Grundwerte der Republik.
Fass ohne Boden wird sich davon nicht einschüchtern lassen. Wir werden weiter recherchieren, weiter aufdecken und weiter publizieren.
Pressefreiheit ist keine Floskel. Sie ist das Fundament unserer Demokratie. Und jeder Angriff darauf trifft die Gesellschaft als Ganzes in ihren Grundfesten.
Unsere redaktionellen Rechner sind im Übrigen speziell gesichert. Wer glaubt, mit Drohungen oder Einschau-Befugnissen unsere Arbeit lahmzulegen, irrt gewaltig. Und ja, man verzeiht mir an dieser Stelle den sarkastischen Hinweis auf die „Sina-Laptop-Affäre“. Unsere Redaktionsrechner sind vor dem Zugriff Dritter sicher.
Quelle: Fass ohne Boden