Am Abend des 31. Jänner 2021 trat ÖVP-Innenminister Karl Nehammer gemeinsam mit Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl vor die Kameras. Diese nahmen an diesem Tag zu stattgefundenen Demonstrationen gegen die Regierungsmaßnahmen Stellung. Laut Innenminister Nehammer gab es “sogar den Versuch, die historische Parlamentsrampe am Dr. Karl Renner-Ring zu stürmen und zu besetzen.”
Sturm aufs Kapitol um Angst zu machen?
Einen Beweis für diese Behauptung blieb der Innenminister aber schuldig. Zwei Tage später veröffentlichte die Tageszeitung Krone „zufällig“ Auszüge aus Funkprotokollen. Trotz stundenlanger Live-Übertragungen im Internet von unzähligen Teilnehmern konnte keinerlei Videomaterial, die von Nehammer aufgestellte Behauptung bestätigen. Der Beantwortung durch den Innenminister ist lediglich lapidar zu entnehmen, dass mehrere Beamte verlegt wurden, und dies habe eine “weitere Eskalation” verhindert. An diesem Tag seien aber auch keine “verdeckten Ermittler im Einsatz” gewesen, sondern “Exekutiv-Bedienstete in Zivil, die den Auftrag hatten, das Demonstrationsgeschehen in Bezug auf Straftaten zu beobachten.”
Keine Straftaten laut Hannes Amesbauer
In der Folge stellte die FPÖ im Februar eine parlamentarische Anfrage (5296/AB) zum angeblichen „Sturm“ auf das Parlament. FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer wollte in Erfahrung bringen, ob es konkrete Versuche gegeben hat, auf das Baustellengelände des Parlamentsgebäudes zu gelangen. Es wurde aber auch der Frage nachgegangen, ob Videomaterial sichergestellt wurde. Doch die Beantwortung untermauert nicht die These von Innenminister Nehammer.
„Es ist schockierend, dass offenbar kein Mensch weiß, wie diese Protokollfetzen an die ‚Kronen Zeitung‘ gelangen konnten – es scheint Nehammer auch nicht sonderlich zu interessieren. Vermutlich weil es ihm ganz recht war, dass seine haltlose Behauptung damit mehr als unseriös gestützt werden sollte. Bezeichnend ist, dass gegen eine vollständige Veröffentlichung jetzt laut Innenminister datenschutzrechtliche Gründe, Amtsverschwiegenheit und einsatztaktische Überlegungen sprechen. Der Öffentlichkeit darf offenbar nur das mitgeteilt werden, was in seine Erzählung passt“, so Amesbauer zu den geleakten Funkprotokollen.
Amesbauer: „Geschichte frei erfunden“
“Es ist peinlich, wenn man sich Nehammers Auftritt anschaut und hört, mit welcher Dramaturgie er diesen angeblichen Versuch eines Parlamentssturms – sogar von einer Besetzung – an die Wand malte. Von dieser abenteuerlichen Nehammer-Geschichte bleibt letztlich rein gar nichts übrig. In Wahrheit zeigt die Beantwortung dieser Anfrage durch den Innenminister selbst, dass diese Geschichte frei erfunden ist“, betont Amesbauer in einer Aussendung.