Ein Kommentar von Alexander Surowiec
Geschätzte Frau Außenministerin, liebe Beate,
es mag für manche ungewöhnlich klingen, aber als rechtskonservativer Herausgeber sehe ich mich veranlasst, auf dein öffentliches Statement zur Lage in Bosnien-Herzegowina zu antworten.
Nicht, weil ich mich außenpolitisch profilieren möchte, sondern weil ich es als meine Verantwortung ansehe, dann zu sprechen, wenn Missstände aus dem Ausland in unser Land getragen werden. Und nein, ich meine nicht den Artikel in der Presse.
Ich achte das Recht der Völker auf Selbstbestimmung. Doch was Milorad Dodik derzeit betreibt, ist nicht Selbstbestimmung, sondern Spaltung, Verfassungsbruch und das bewusste Schüren von Instabilität. Sein Vorgehen richtet sich nicht nur gegen Bosnien als Staat, sondern auch gegen die wirtschaftlichen und politischen Interessen Europas – auch gegen jene Österreichs. Dass du das offen benennst, ist richtig. Und wichtig, aber nicht in deiner Rolle. Das ist nicht dein Auftrag.
Aber so richtig deine Worte auch wären, so auffällig ist das, was du nicht sagst. Und hier beginnt meine Kritik: Wo bleiben deine Handlung und dein Statement in Affären, die unser Land beschäftigen?
Während du Dodik scharf kritisierst, bleibt ein anderer, aktueller Skandal ohne jede Reaktion deinerseits. Ein Skandal, der nicht in Banja Luka stattfindet, sondern mitten in Wien. Unter den Augen deines Ministeriums!
Seit Tagen und mittlerweile Wochen berichten albanische und österreichische Medien über die Enthüllung, dass der albanische Botschafter in Österreich, Fate Velaj, seine Schwägerin Erjona Daupaj in der Botschaft versteckt haben soll. Eine Frau, die laut der albanischen Anti-Korruptionsbehörde SPAK zur Fahndung ausgeschrieben ist.
Der Vorwurf: Korruption, Amtsmissbrauch und Verstrickungen in die berüchtigte Toyota-Yaris-Affäre, bei der Millionenbeträge illegal in Fahrzeuge verladen wurden. Daupaj war einst Beamtin im albanischen Büro zur Bekämpfung organisierter Kriminalität. Heute ist sie untergetaucht und laut mehreren übereinstimmenden Quellen vorübergehend in der Botschaft in Wien untergebracht worden. Laut einem Medium aus Albanien war sie zumindest eine Zeit lang dort.
Die diplomatische Vertretung Albaniens auf österreichischem Boden wurde zum Fluchtpunkt für eine mutmaßliche Straftäterin. Eine Botschaft, die völkerrechtlich Immunität genießt, wurde offenbar genutzt, um sich dem Rechtsstaat zu entziehen.
Und du? Du schweigst.
Kein Wort aus deinem Ministerium. Und ja, meine Anfrage war CC an das Außenministerium. Es war dein Pressesprecher, der meine Fragen erhalten hat. Bis heute: Kein diplomatisches Signal! Keine Distanzierung. Kein Hinweis darauf, dass Österreich solches Verhalten auf seinem Staatsgebiet nicht duldet. Kein Hinweis darauf, dass du deiner Verantwortung als Außenministerin gerecht wirst. Dabei geht es nicht um ein Gerücht, sondern um eine Kette öffentlich zugänglicher Berichte, dokumentierter Zusammenhänge und Aussagen. Und ich weiß, dass du meine Arbeit schätzt. Ich gehe nur mit einer Story raus, wenn ich mir hundertprozentig sicher bin.
Ich frage dich: Warum die selektive Empörung?
Du bist schnell dabei, Missstände auf dem Westbalkan anzuprangern. Du hast die Instabilität, die Dodik auslöst, zu Recht kritisiert. Doch wenn vor deiner eigenen Haustür Diplomatie zur Deckung wird, wenn diplomatische Immunität offenbar genutzt wird, um Justizflüchtige zu schützen, dann bleibt deine Stimme aus. Genau da, wo sie am lautesten sein müsste. Ich erinnere mich noch gut an das Jahr 2015. Damals warst du es – gemeinsam mit dem unvergessenen Kurt Kuch –, die mit einem Blogbeitrag über den Rechnungshofbericht zur Stadt Wien den Finger in die Wunde gelegt habt. Dieser Bericht, den du öffentlich thematisiert hast, war für mich persönlich der Auslöser, mich dem investigativen Journalismus zu widmen. Du warst eine politische Stimme mit Haltung. Eine Stimme gegen Schweigen. Eine Stimme gegen Machtmissbrauch.
Heute frage ich mich: Wo ist diese Stimme geblieben?
Als Außenministerin vertrittst du nicht Brüssel. Du vertrittst nicht eine Parteimeinung. Du vertrittst die Republik Österreich!
Dein Auftrag ist es, unsere Interessen zu wahren, auch dann, wenn es unbequem wird. Und genau das ist es jetzt. Denn es geht nicht um Albanien, es geht um unser Land. Es geht um das Vertrauen in diplomatische Verhältnisse. Es geht darum, ob auf unserem Boden diplomatische Immunität als Schutzschild für Korruption missbraucht wird.
Wenn Österreich wirklich ein glaubwürdiger Partner für den Westbalkan sein will, dann reicht es nicht, sich auf der EU-Ebene moralisch zu profilieren. Dann braucht es klare Maßstäbe. Und diese Maßstäbe müssen auch dort gelten, wo es politisch unbequem ist.
Ich erwarte von dir als Außenministerin ein klares Wort zum Fall Fate Velaj. Ich erwarte, dass du der Öffentlichkeit erklärst, ob du Kenntnis hattest.
Und wenn ja, warum du nichts unternommen hast. Und wenn du keine Kenntnis hattest, erwarte ich eine sofortige Prüfung und eine diplomatische Reaktion. Frag deinen Pressesprecher und dein Kabinett.
Denn Diplomatie endet nicht an der Landesgrenze. Sie beginnt dort, wo Prinzipien verteidigt werden. Prinzipien wie Rechtsstaatlichkeit, Transparenz und Integrität.
Und genau die stehen hier zur Disposition.
Frau Ministerin, liebe Beate, wir werden nicht an Worten gemessen, sondern an Taten.
Nun ist es Zeit zu handeln.