Zwei Jahre nach der als „Meilenstein“ gefeierten Abschaffung der Kalten Progression zeigt sich eine bemerkenswerte Wende innerhalb der ÖVP. Budgetsprecher Andreas Hanger erklärte in einem Interview auf Puls24, die Maßnahme sei „emotional kaum spürbar“ und „ein Fehler gewesen“. Er sei stets skeptisch gewesen. Die Aussage wirft Fragen auf – sowohl zur Linie der Volkspartei als auch zur politischen Zukunft Hangers.
Noch 2023 sprach ÖVP-Kanzler Karl Nehammer vom Ende des „schleichenden Lohnfrasses“. Die damalige Regierung präsentierte die Indexierung der Steuerstufen als strukturelle Entlastung für Millionen. Im Jahr 2025 kehrt sich das Bild: Die SPÖ-geführte Bundesregierung unter Finanzminister Markus Marterbauer nimmt die Maßnahme teilweise zurück. Laut Finanzministerium soll der Rückbau ab 2026 rund 440 Millionen Euro jährlich bringen – während sich die Steuerzahler durch die vollständige Abschaffung ursprünglich rund 2 Milliarden Euro pro Jahr ersparten.
Die Kritik an Hangers Aussagen folgt prompt, insbesondere aus Niederösterreich. FPÖ-Landtagsabgeordneter Alexander Schnabel ortet einen „völlig versagten moralischen Kompass“ in der ÖVP. Wörtlich heißt es: „Die extreme Teuerung zieht Tag für Tag an – und Herr Hanger meint, 80 Euro seien emotional kaum spürbar. Für viele Familien sind 80 Euro die Frage, ob man am Monatsende noch Reserven hat.“
Schnabel verweist zudem auf ein jüngeres Urteil gegen Hanger. Dieser musste nach unwahren Vorwürfen gegen einen FPÖ-Landesrat öffentlich widerrufen. Dass Hanger nun seinerseits Kritik als „Fake News“ bezeichnet, hält Schnabel für zynisch: „Die ÖVP schafft sich ihre eigene Wahrheit.“
Auch parteiintern wird Hangers Kurs als riskant gesehen. Der Budgetsprecher, bekannt für seine Angriffe gegen Justiz und Opposition, stellt mit seiner aktuellen Linie nicht nur frühere ÖVP-Positionen infrage, er untergräbt die eigene Argumentation der Jahre 2022 bis 2024. Die Verunsicherung in der Bundes-ÖVP wächst. Die Kalte Progression war eine der letzten Reformen, auf die man sich auch in wirtschaftsliberalen Kreisen stützte.
Fazit und Ausblick
Hanger bewegt sich damit zunehmend ins politische Abseits. Während die FPÖ mit Sozialrhetorik punktet, droht der ÖVP ein Glaubwürdigkeitsverlust auf breiter Linie. Eine Neupositionierung ist bislang nicht erkennbar.