Ein 105-seitiger Abschlussbericht vom Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) erschüttert die Grundwerte der Rechtsstaatlichkeit. Dieser wurde am 15. Jänner 2020 im Bezug auf die Aktenzahl 4 St 6/16a (Geschäftszahl VSA/503/2016) an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft übermittelt. Und das Dokument gewährt einen tiefen Einblick in den österreichischen Verfassungsschutz. BVT-Beamter im Visier, aber acht Monate später wurde noch immer nicht eine Anklage erhoben. Für die nachfolgend Genannten gilt die Unschuldsvermutung.
BVT-Beamter kassierte von „Nina“
Im Mittelpunkt der neuen FoB-Serie „Ninas Blacklist“ steht die deutsche Privatagentin mit dem Decknamen „Nina“, die vor ein paar Jahren erstmals durch die Enthüllungen von Addendum in Österreich bekannt wurde. Die Nachrichtenhändlerin versorgte einen Chefinspektor vom Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) regelmäßig, laut BAK-Bericht zumindest von 2009 bis 2016, mit „Eigenbelegen“. Mit anderen Worten – es wurde kräftig geschmiert. Dafür erhielt „Nina“, die beim BVT als Quelle „Bertram“ geführt wurde, diverse Gefälligkeiten vom Chefinspektor.
Gefälligkeiten für „Nina“ (= „Bertram“)
Der Verfassungsschützer versorgte die Privatagentin mit erstklassigen Charts im Format DIN A3, A2 oder gar A1, die an vermögende Kunden weiterverkauft wurden. Die Gefälligkeiten reichten von der Visualisierung von Netzwerken, Berichten aus dem BVT bis hin zu Organigrammen oder gar einer Verschriftlichung in Form einer „Zusammenstellung der Vergangenheit“. Im Preis inbegriffen waren Firmenbuchauszüge, die am Dienstrechner vom BVT abgerufen wurden, aber auch Abrufe von Kennzeichen im polizeiinternen Kraftfahrzeugzentralregister.
So musste beispielsweise der BVT-Experte für Russland bei einem Projekt einen Bericht „beim Bundesminister für Finanzen“ platzieren oder gar Ermittlungen zu einem Ex-Geheimdienstangehörigen eines anderen Landes durchführen. Mit anderen Worten: Politische Einflussnahme auf einen Minister und Spionage als BVT-Beamter gegen Körberlgeld.
Der Chefinspektor hatte es aber auch faustdick hinter den Ohren. Zum einen gönnte sich der BVT-Beamte an jenen Tagen, wenn „Nina“ in Wien war, jeweils einen 12-Stunden Dienst statt der üblichen Normdienstzeit.
Bis zu zehn Jahre „Schmalz“ für „Hasi“
Ermittelt wird gegen den BVT-Beamten wegen „Missbrauch der Amtsgewalt“ (§302) und „Bestechung“ (§307 (2)). Laut dem österreichischem Strafgesetzbuch bedeutet das: „Wer jedoch die Tat in Bezug auf einen 50.000 Euro übersteigenden Wert des Vorteils begeht, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.“ (StGB)
Die Entlohnung belief sich auf 500 bis 5000 Euro pro Monat und pro Projekt. Aber der BAK-Ermittler hat aber auch einen Verdacht, den wir nicht vorenthalten möchten: „Zu bemerken ist weiters, dass in der Aufstellung mit handschriftlichen Vermerken („Für Hasi“) zum BVT-Beamten ein Geldbetrag von 2000,- Euro für Ermittlungen im September 2015 angeführt sind.“ Möglicherweise steckte auch eine Liebesaffäre hinter der Arbeitsbeziehung.
Buchhaltung überführt „Nina“
Ein ehemaliger europäischer Nachrichtendienstangehöriger gegenüber der Redaktion: „Ihre eigene deutsche Gründlichkeit bei der Buchhaltung“, so der Informant, „hat sie selbst zum Fall gebracht. Wer zum Teufel hebt so lange Eigenbelege auf?“
Und ja, die „ausgemittelten Rechnungen und Kontenstapel (Buchhaltungsjournal)“ wie es im Akt heißt, sind von „Nina“ nicht nur präzise, sondern ein wahrer Fundus für weitere Recherchen. Anhand der Rechnungen, die auf den letzten Cent genau abgerechnet wurden, ließen das BAK knapp 40 Projekte rekonstruieren.
Knausrige Bewirtungen für die „Quelle Kabinett“
Selbstverständlich durften Bewirtungsbelege bei den unzähligen Geschäftsanbahnungen und regelmäßigen Treffen nicht fehlen. So mancher Beleg trägt sogar den Namen „Quelle Kabinett“. Wer wohl damit gemeint ist?
Ein Nachrichtendienst-Experte gegenüber der Redaktion: „Ein klarer Fall einer umgedrehten Quellenführung. Nicht ‚Nina‘/‘Bertram‘ hat den Beamten mit Informationen versorgt, sondern der BVT-Mann arbeitete für sie. Dennoch sind die Lokale nicht sehr prominent gewählt. Man könnte auch sagen sie war knausrig.“
Viele Fragen offen
„Wie bereits im Projekt Caesar angeführt, existieren im BVT für den Zeitraum 2005 bis 2011 keine Aufzeichnungen zu Informantenberichte der „Nina“.“ Daher stellt sich zunächst die berechtigte Frage: Wo war die Dienstaufsicht im BVT? Was machten die BVT-Direktoren Gert-René Polli und Peter Gridling? Wo waren die direkten Vorgesetzten des BVT-Ermittlers, die seine Berichte, Abrechnungen und Ermittlungen kontrolliert haben?
Wie konnte so ein System mit so einem dubiosen Beamten jahrelang unerkannt im österreichischen Nachrichtendienst bleiben? Hatte der Beamte sogar Komplizen im BVT? Wer wusste noch davon?
Und wer diesen Bericht im Zusammenhang mit dem BVT-Untersuchungsausschuss sucht, wird nicht fündig. Scheinbar dürften sich viele im Innenministerium vor diesem Akt gefürchtet haben. Dies lässt die These zu, warum man mit dem damaligen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) die Koalition nicht fortsetzen wollte. Aufgrund der Ibiza-Affäre ist der BVT-Untersuchungsausschuss frühzeitig abgedreht worden.
Die Presseabteilung der WKStA bestätigt gegenüber der Redaktion, dass das Ermittlungsverfahren „noch nicht abgeschlossen ist.“ Aus dem Ausland ist wiederum zu hören, dass das Verfahren eingestellt werden soll. Scheinbar soll ein Justizbeamter dahinter sein.
BVT-Beamter: Knapp 100.000 Euro Schmiergeld in sieben Jahren?
Nach Sichtung des Abschlussberichts wird eines klar: Die Quellengelder von „Nina“ waren üppig und für einen schlichten Beamten des mittleren Dienstes sehr gut bezahlt. Die Ausgaben hingegen für die Bewirtung gleichen einer armseligen Vergütung eines mittelmäßigen Drogendealers. Führungsoffiziere und Spitzenbeamte hingegen residieren in traditionsreichen Restaurants. Eine ausgezeichnete Wahl wäre zum Beispiel das Schwarze Kameel gewesen.
- 28. Oktober 2009: 2.500 Euro
- 25. November 2009: 2.500 Euro
- 14. Jänner 2010: 2.500 Euro
- xy. Februar 2010: 2.500 Euro
- 11. Dezember 2009: 2.500 Euro
- 19. März 2010: 2.500 Euro
- 23. April 2010: 2.500 Euro
- 05. Mai 2010: 5.000 Euro
- 26. Mai 2010: 5.000 Euro
- 28. Mai 2010: 2.500 Euro
- 17. Juni 2010: 2.500 Euro
- 28. Oktober 2010: 1.500 Euro
- 20. November 2010: 1.500 Euro
- 17. Dezember 2010: 1.500 Euro
- 27. Jänner 2011: 1.500 Euro
- 23. Februar 2011: 1.500 Euro
- 16. März 2011: 1.500 Euro
- 14. September 2011: 2.500 Euro
- 25. September 2011: 1.000 Euro
- 25. Jänner 2012: 2.500 Euro
- 19. Juli 2012: 1.000 Euro
- 19. Juli 2012: 2.000 Euro
- 13. August 2013: 2.000 Euro
- 09. September 2013: 3.500 Euro
- 23. April 2014: 2500 Euro
- 25. April 2014: 3.000 Euro
- 20. Mai 2014: 1.000 Euro
- 15. September 2014: 1.000 Euro
- 15. September 2014: 2.000 Euro
- 02. Dezember 2014: 1.000 Euro
- 04. März 2015: 1.500 Euro
- 17. März 2015: 1.500 Euro
- 23. Juni 2015: 2.500 Euro
- 22. Juli 2015: 1.000 Euro
- 29. Juli 2015: 2.000 Euro
- xy. September 2015: 4.000 Euro
- 30. September 2015: 5.000 Euro
- 21. Oktober 2015: 3.000 Euro (erstes Projekt)
- 21. Oktober 2015: 3.000 Euro (zweites Projekt)
- 10. Dezember 2015: 3.000 Euro
- xy. Dezember 2015: 1.000 Euro
- 10. Jänner 2016: 1.000 Euro
Appell an BVT-Informanten
Aufgrund der Großzügigkeit im BVT sollte man das Konzept der Quellengelder überlegen. Daher wenden wir uns als Redaktion an alle Informanten des BVT: Verhandelt eure Informantengelder neu und verlangt eine Verdoppelung der bisherigen ausgemachten Pauschalen. Scheinbar ist im BVT alles möglich.