Halbe Milliarde Investmentkapital: weXelerate & Steinberger-Kern
Anfang des Jahres proklamierte der Kurier „weXelerate Chef des Supernetzwerks“. Darin führt das Medium weiter aus: „Wien bekommt das größte Start-up-Hub Europas“ (Kurier). Gemeint ist das Unternehmen weXelerate GmbH. Zu den weXelerate-Gründungsmitgliedern zählen Kanzlergattin Eveline Steinberger-Kern (Blue Minds Group), Dominik Greiner (Camouflage Ventures) und Markus Wagner (Gründer von i5invest). Die Idee hinter dem Unternehmen?
Ein Netzwerk zur Unterstützung von Start-Ups, die auf engstem Raum und in bester Lage (Schwedenplatz-Gegend in Wien) mit Hilfe einer Vielzahl an vitalen Firmen und fremdem Investmentkapital Start-Ups pushen. Das Konzept dürfte aufgegangen sein: „Insgesamt eine halbe Milliarde Euro Investmentkapital“ (derbrutkasten.com) Sieben Gesellschaften, die einen Investment-Fonds betreiben, sammeln sich im Wiener Startup-Zentrum weXelerate. Die Fonds kommen zusammen auf rund eine halbe Milliarde Investmentkapital. Verständlich, dass man als Teil der heimischen Startup-Szene hier Fuß fassen möchte.
Wirtschaftsagentur Wien: Vienna Start-Up Initiative und weXelerate
Im vergangenen Jahr schrieb der Fonds der Stadt Wien (Wirtschaftsagentur Wien) die „Vienna Start-Up Initiative“ aus. Wesentlicher Fokus der Ausschreibung beinhaltet „die Umsetzung von Projekten, die auf schlüssigen Konzepten basieren, welche ein Bündel von Maßnahmen beinhalten, die entweder den Aufbau neuer oder die Ausweitung bestehender Gründungszentren zum Inhalt haben. Übergeordnetes Ziel dieser Maßnahmen sollte die Bereitstellung einer möglichst idealen Gründungs- und Wachstumsumgebung für technologie- bzw. innovationsorientierte Start-up Unternehmen sein.“
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Wenn man die Ausschreibung aufmerksam liest, darf man sich nicht wundern, dass die Wexelerate GmbH am letzten Tag der Ausschreibungsfrist, am 3.10.2016, eine Einreichung für die Initiative eingebracht hat. Die bevorstehende Idee eines Start-Up-Hubs passt wie die Faust aufs Aug für die Initiative. Der Antrag beinhaltete ein Volumen von 554.052 Euro. Die voraussichtliche Förderung wurde von der Wirtschaftsagentur Wien mit 277.026 Euro beziffert und auch bewilligt. Interessant ist aber auch, dass wenige Tage zuvor, am 30.09.2016, ein weiterer Förderantrag aus dem Umfeld der Wexelerate GmbH eingebracht wurde, und zwar in der Höhe von 763.811,64 Euro. Der Antrag wurde aber abgelehnt.
Steinberger-Kern: „Keine direkten oder indirekten Anteile“
Steinberger-Kern trat von Beginn als treibende Kraft bei weXelerate in Erscheinung, betont aber wiederkehrend, dass sie keinen finanziellen Mehrwert durch weXelerate erfährt:
„Ich persönlich halte an der Wexelerate GmbH weder direkt noch indirekte Anteile.“ (Eveline Steinberger-Kern)
Dies war erst in den vergangenen Tagen einer OTS-Meldung von Eveline Steinberger-Kern zu entnehmen. Anlass zu dieser Rechtfertigung war die Ankündigung einer Enthüllungsstory des Monatsmagazins „alles roger?“ mit dem Titel „SPÖ-Kanzlergattin im roten Fördernetzwerk“. Die Pressemitteilung beinhaltet Verstrickungen von Frauen aus dem SPÖ-Netzwerk, stellt ein undurchsichtiges Netz an roten Strippenziehern dar und thematisiert Fördergelder der Wirtschaftsagentur Wien.
Die verbale Härte und Entgegnung von Steinberger-Kern hat es in sich: „Richtigstellung zu wahlkampftaktisch motivierten Unterstellungen“. Darüber hinaus ist zu vernehmen, dass gegen „vorsätzlich falsche Ruf- und Kreditschädigung rechtliche Schritte gegen die Urheber“ vorgegangen werde. Heftige Reaktion?
Die eigentliche „alles roger“-Story wiederum, welche am vergangenen Freitag in Printform erschien ist, trägt den Titel „SPÖ-Politikerfrauen im Netzwerk der Geldflüsse“. Die Story zeichnet tatsächlich ein noch düsteres Bild über die Praktiken der Förderpolitik von Start-Ups in Wien. Wesentlicher Fokus liegt auf der Einflussnahme von „SPÖ-Gattinnen“ auf die Wiener Startup-Szene.
Operation Rising Star
Was die Redaktion von alles roger nicht wusste: Seit einem dreiviertel Jahr recherchiert Fass ohne Boden unter dem internen Operationsnamen „Rising Star“ an dem Firmengeflecht und deren Protagonisten.
In einer mehrmonatigen Recherche bohrte sich das Team von Fass ohne Boden durch das Firmennetzwerk, befragte heimische Start-Up Größen, erhielt Auskünfte von Rechtsanwälten in der Schweiz und Wien, führte Hintergrundgespräche mit Journalistenkollegen, suchte den Kontakt zu IT-Technikern, sprach mit politischen Vertretern diverser Couleur und tat noch mehr.
Mehrwöchige Observationen, früh, mittags und abends, mit Ex-Militär-Angehörigen wie militärische Aufklärer und Ex-Jagdkommando-Soldaten, einer Einschleusung in „Team Wallraff“-Manier bei einem Event sowie eine Recherchereise nach Zürich und Dietikon, gaben einen Einblick, wie die heimische Start-Up-Szene tickt und funktioniert.
Und die bisher kommunizierten Darstellungen von Frau Steinberger-Kern lassen nicht nur viele Fragen offen. Vor allem spielt der neue 50%-Inhaber der Blue Minds Solutions GmbH eine wesentliche Rolle…
Immobilien-Kaufvertrag und Firmenanteil-Übernahme aus einer Hand?
Ein Rechtsanwalt des Vertrauens ist heutzutage viel wert, vor allem, wenn es um den Kauf einer Immobilie geht. Wer möchte denn über den Tisch gezogen werden? Ein Eigenheim muss schließlich mit Bedacht erworben werden. Eine Kaufabwicklung wird aber für einen Rechtsanwalt wahrlich erst zum Prestigeprojekt, wenn man ein Eigenheim im Namen des Bundeskanzlers und seiner Gattin abwickeln darf. Dies verlangt aber nicht nur Vertrauen, sondern vor allem Diskretion.
Man stelle sich nur vor: Wenige Monate nach dem Amtsantritt eines Bundeskanzlers würde in einer der größten Tageszeitungen des Landes folgende Headline stehen: „Bonzentum: Bundeskanzler kauft Wohnung für eine Million Euro“. Dies würde sicher kein gutes Bild machen.
Am 12.08.2016 durfte daher Rechtsanwalt Dr S. laut Kaufvertrag als Treuhänder eine Kaufabwicklung für Christian Kern und Eveline Steinberger-Kern tätigen.
Gründung der weXelerate – Verkauf der Anteile
Es ist korrekt, dass ein Unternehmen, eine Beteiligungsgesellschaft mbH, im vergangenen Jahr die 50% Anteile von Steinberger-Kern an der Blue Minds Solutions GmbH übernommen hat. Aus dem Notariatsakt, der Fass ohne Boden vom 21.11.2016 vorliegt, geht hervor, dass die Kanzlergattin ihre Anteile verkauft hat. Zur Größenordnung: Ein fünfstelliger Betrag, der sich im ersten Quartile von 100.000 bewegt. Brisantes und nicht unwesentliches Detail: Beim Vertrag wird ein Rechtsanwalt Dr. Markus S. genannt, also ein Anwalt, der den gleichen Namen trägt wie der Rechtsanwalt, der eine Kaufabwicklung für die Immobilie des Bundeskanzlers und seiner Gattin getätigt hat. Womöglich Zufall? Zufälle häufen sich: Identische Namen, identische Firmenadressen und identische Geburtsdaten.
Bei der Blue Minds Solutions handelt es um ein Consulting-Unternehmen, dass laut Firmenbuch 2016 eine Bilanzsumme von ca. 250.000 Euro ausweist. Bei Betrachtung der Aktiva und Passiva lässt sich festhalten, dass das Unternehmen solide und gewinnorientiert wirtschaftet. Darüber hinaus hält das Unternehmen Anteile an weiteren sieben Unternehmen, wie auch an der weXelerate GmbH mit einem Anteil von 17,6%. Steinberger-Kern hielt am 3.02.2017 in einem Kurier-Interview fest: „Die Anteile an der Blue Minds Solutions GmbH – also jenem Teil der Blue Minds Group, die Consultingaktivitäten abwickelt und sich wie alle Marktteilnehmer auch um öffentliche Förderungen bemüht – habe ich 2016 verkauft, und ich bin daher mit den Aktivitäten dieser GmbH nicht verbunden“. Verständlich: Staatliche Förderungen für die Gattin des Bundeskanzlers ist ein gefundenes Fressen für die Opposition. Erst im Juli war die Blue Minds Solutions mit medialer Präsenz im Zusammenhang des JumpStart-Inkubatoren-Programm vertreten (Diese 10 österreichischen Startup-Zentren sollen Jungfirmen aufpeppeln).
Warum wurden die Anteile so günstig veräußert?
Zum einen hat das Unternehmen Blue Mindes Solutions GmbH im Jahr 2016 eine positive Jahresbilanz von ca. 250.000 Euro. Buchhalterisch gesehen, steht das Unternehmen auf sehr soliden Beinen: Mehrere Mitarbeiter werden beschäftigt, im Verhältnis zur Jahresbilanz steht ein üppiges Umlaufvermögen in den Büchern, ein Gewinnvortrag und eine ausgezeichnete Perspektive zeichnet sich ab: Das Geschäft mit dem Start-Up-Flagschiff weXelerate GmbH, wie wir heute wissen, ein Investmentkapital von ca. 500 Millionen Euro. Die Kaufsumme ist laut einem Start-Up-Kenner sehr gering angesetzt, sprich „unter seinem Wert“.
Steinberger-Kern wird konfrontiert
Trotz zweier E-Mails, eines Anrufs und einer SMS mit der Bitte um Rückruf, erhielt die Redaktion keine Antwort von Eveline Steinberger-Kern. Wie aus dem Umfeld der Kanzlergattin zu entnehmen ist, war die Publikation des geheimen Kern-Dossiers von Fass ohne Boden ausschlaggebend, dass die Anfrage nicht beantwortet wird. Die wesentlichste Frage lautete:
„Handelt es sich beim Rechtsanwalt Dr. Markus S., der den „Kaufgegenstand“ vom 12.08.2016 (Ihnen bekannt), und laut dem Vertrag das Anderkonto als Treuhänder RA. Dr. S., lautend auf „Kern – Thurn KV“ bei der Oberbank eingerichtet hat, um den Kauf der Immobilie abzuwickeln, genau um jenen Rechtsanwalt, der im vergangenen Jahr mit der XXX Ihre 50% Anteile an der Blue Minds Solutions GmbH um XX.XXX,XX Euro erworben hat?“
Wirtschaftsagentur Wien wird konfrontiert
Bei weitem transparenter gibt sich die Wirtschaftsagentur Wien, die ebenfalls von Fass ohne Boden konfrontiert wurde. Die wichtigsten Fragen:
Ist es korrekt, dass die XXX am 30.09.2016 einen Förderantrag für die „Vienna Start-Up Initiative“ bei der Wirtschaftsagentur Wien in der Höhe von ca. 760.000 € (763.811,64 €) eingebracht hat, der Antrag aber am 7.12.2016 nicht bewilligt wurde, sprich abgelehnt wurde?
Ist es korrekt, dass die weXelerate GmbH am 3.10.2016, am letzten Tag der Ausschreibung, einen Förderantrag bei der Wirtschaftsagentur Wien für die „Vienna Start Up Initiative“ eingereicht hat, mit einer voraussichtlichen Förderungshöhe von 277.026 €, die auch bewilligt wurde? (Anmerkung: Die Stadt Wien beziffert es mit ca. 277.000 Euro, wir würden gerne den genauen Betrag publizieren).
Ist es korrekt, dass am 27.03.2017 Herr Hassen Kirmaci für die weXelerate GmbH eine Unterhaltung mit der Wirtschaftsagentur Wien (beim Gespräch war Frau Czernohorsky anwesend) bezüglich der Co-Creation Lab Vienna geführt hat? Wenn ja, Folgefrage: Besteht die Möglichkeit für eine Umsetzung eines gemeinsamen Projekts von der weXelerate mit der Wirtschaftsagentur Wien? Wie ist der Status quo?
Ich hätte auch an Sie eine spezifische Frage, bezüglich der Unbescholtenheit von Antragstellern für eine Vergabe von Fördergeldern durch die Wirtschaftsagentur Wien. Gibt es da gewisse Voraussetzungen? Wenn ja, hätten Sie Dokumente hierzu bzw. wie lauten die genauen Bestimmungen? Was wäre ein Ausschlussgrund um eine Absage aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung im Inland bzw. im Ausland zu erhalten?“
Positiv muss an dieser Stelle hervorgehoben werden, dass die Wirtschaftsagentur Wien sehr schnell unsere Presseanfrage beantwortet hat. Zwar wurden nicht alle Fragen ausgiebig beantwortet, jedoch beinhaltet es für die Folgestory ein wesentliches Puzzlestück:
„Für das Projekt „WeXelerate“ hat es eine Förderzusage über exakt 277.026 Euro gegeben, bei einer Förderquote von 50 %. Das bedeutet, dass das Unternehmen zumindest eine Summe in Höhe der Förderzusage selbst investieren muss. Bis dato wurde erst die Summe von exakt 83.107,80 Euro ausbezahlt. Für jeden Fördereuro muss ein entsprechender Nachweis für Investitionen und Personalkosten vorgelegt werden. […]
Eva Czernohoszky ist seit rund 10 Jahren in der Wirtschaftsagentur für den Bereich Technologieberatung und Technologienetzwerke in leitender Position tätig. Es ist daher eine ihrer wichtigsten Aufgaben, Gespräche wie das von Ihnen angeführte, mit Technologieunternehmen zu führen. Zu der Umsetzung einer Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsagentur Wien im Zuge eines Projektes ist es nicht gekommen.“
Pro Jahr werden in der Wirtschaftsagentur Wien im Durchschnitt rund 1.000 Förderanträge gestellt. Im Zuge der Antragstellung wird immer überprüft, ob die antragstellenden Unternehmen über die erforderlichen Rechte zur Ausübung der beantragten Tätigkeiten verfügen. Die Unbescholtenheit der darin tätigen Personen, wie in allen anderen Wirtschaftsförderstellen des Landes, nicht abgefragt.
Zwischenfazit
Der Rechtsanwalt Dr. Markus S. hat mittlerweile die Redaktion von Fass ohne Boden zurückgerufen (Stand. 09.10.2017). Frau Steinberger-Kern hatte kein Interesse daran, Ihren Blickwinkel auf den Verkauf der Anteile an dem Unternehmen, das 17,6 % an der WeXelerate GmbH hält, zu erörtern. Ob es sich um treuhändische Ambitionen oder um ein erstklassiges Investment für den Rechtsanwalt handelt, bleibt zum jetzigen Zeitpunkt offen. Auffallend ist, dass bei sensiblen Projekten von Eveline Steinberger-Kern, ob Eigenheimkauf oder Verkauf von Unternehmensanteilen, Rechtsanwälte in Erscheinung treten, die denselben Namen, gleiche Geburtsdaten und gleiche Firmenstandorte haben.
Darüber hinaus wirft die Gründungsphase der WeXelerate gmbH schon selbst weitere Frage auf. Beispielsweise hieß bei der Gründung der Mehrheitsgesellschafter Schabetsberger & Partner Steuerberatung und Unternehmensberatung GmbH. Das Unternehmen wiederum verkaufte die Anteile an den heutigen CEO, Hassen Kirmaci. Dieser CEO wurde aber von Beginn an der Medienlandschaft als CEO vorgestellt. Dem Firmenbuch zu Folge stimmt dies nur teilbedingt, da der erste Geschäftsführer Avihai Shmuel Lifshitz hieß und Özkan Kirmaci, so der eigentliche Name von Hassen Kirmaci, erst seit dem 25.04.2017 im Firmenbuch als handelsrechtlicher Geschäftsführer eingetragen ist.
In den kommenden Tagen wird Fass ohne Boden Teil 2 von Operation Rising Star publizieren.
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Halbes Jahr Recherche und dann kommt genau nix raus außer dass sie einige Anteile an Firmen hält und eine Wohnung gekauft hat? Wow Gratulation, echt stark hahaha
Es folgt noch Teil 2 der Story. In der Zwischenzeit ist der CEO bereits zurückgetreten: https://www.fob.rocks/eilt-wexelerate-ceo-ist-offiziell-zurueckgetreten