Der ÖVP-Bürgermeister und Finanzreferent von Perchtoldsdorf fordert alle Gemeinderäte auf, einem Antrag auf Aussetzung der Schuldenrückzahlung von insgesamt 5,6 Millionen Euro für die Jahre 2020 und 2021 per Umlaufbeschluss (also ohne Diskussion und öffentliche Gemeinderatssitzung) zuzustimmen.
Bürgerliste und SPÖ erteilen diesem Ansinnen eine deutliche Abfuhr: Sie orten den Versuch, jahrelange Misswirtschaft zu verschleiern und die drohende Pleite der Gemeinde auf die Corona-Krise zu schieben.
Corona-Krise willkommene Ausrede für Zahlungsunfähigkeit?
Bereits vorigen Herbst wäre klar gewesen, dass die Gemeinde 2 Millionen Euro mehr ausgibt als einnimmt, zeigt sich Bürgerlisten-Chef Helmuth Kittinger empört. „Die jahrzehntelange Verschwendungspoltitk der ÖVP hat uns in den Ruin getrieben“, konstatiert Kittinger. „Nun wird die Corona-Krise als willkommene Ausrede benützt. Es sollen unsere Kreditraten, insgesamt 3,25 Millionen jährlich, für 2 Jahre ausgesetzt werden und somit der totale Crash verschoben werden“, so Kittinger weiter.
In Perchtoldsdorf wird am 7. Juni gewählt und die ÖVP wolle die drohende Pleite vor der Wahl verheimlichen, ist man bei der Bürgerliste überzeugt. Der Rechnungshof übte bereits 2019 Kritik an der Finanzgebarung der Gemeinde: Als großzügig und unwirtschaftlich wird sie in seinem Bericht bezeichnet.
Die Bürgerliste wird dem Antrag per Umlaufbeschluss nicht zustimmen. Kittinger erbost: „Wir fordern eine Gemeinderatssitzung. Wer seine Raten nicht zahlt, spart nicht, sondern verschiebt seine Schulden weiter in die Zukunft. Maske runter, Scherm auf!“
SPÖ sieht drohende Pleite
Auch die Perchtoldsdorfer SPÖ wird dem Antrag per Umlaufbeschluss nicht zustimmen: „Die SPÖ Perchtoldsdorf lehnt es ab – derartige weit in die nächsten Jahre reichenden Maßnahmen ohne Diskussion und ohne Teilnahme der Öffentlichkeit zu beschließen und fordert die Einberufung einer Gemeinderatssitzung.“
Ein solcher Beschluss mit derart weitreichenden Folgen für die Perchtoldsdorfer müsse öffentlich und transparent sein und das sei bei einem Umlaufbeschluss nicht der Fall, schreibt Gemeinderat Anton Plessl auf der SPÖ-Homepage.
„Die dramatische finanzielle Situation muss dem Finanzreferenten, Bürgermeister Schuster, schon bei der Erstellung des Haushaltsplanes für 2020 bekannt gewesen sein“, so Plessl. Schon 2019 wären die Ausgaben um 2 Millionen höher gewesen als die Einnahmen. Auch der Kassenstand von minus 1.605.944,33 EUR und der Stand auf dem Hauptkonto von minus 1.646.527,25 EUR am 15. April zeige die Dramatik der Situation.
„Alles in allem ist der Umlaufbeschluss scheinbar ein Versuch noch bis zur Wiederholung der Wahl am 7. Juni die katastrophale wirtschaftliche Situation der von der ÖVP geführten Gemeinde zu verschleiern“, zeigt sich Plessl überzeugt.
FPÖ fordert Kassasturz, stimmt aber zu
„Es war nur eine Frage der Zeit bis die jahrelange Misswirtschaft der Schuster-ÖVP die Gemeinde in die Pleite führt“, sagt FPÖ-Gemeinderat Alexander Murlasits. Spätestens jetzt sei es tatsächlich so weit. Laufende Darlehen würden nicht mehr bedient werden können und Schuldenrückzahlungen für die Jahre 2020 und 2021 müssen ausgesetzt werden. „Damit kommt, was kommen musste. Wir Freiheitliche warnen seit Jahren vor einer derartigen Entwicklung und wurden leider bestätigt“, so Murlasits.
Die FPÖ wolle das Aussetzen der Darlehenstilgung aus Politischer Verantwortung für die Marktgemeinde aber unterstützen. „Alleine schon aus politischen und moralischen Aspekten, wäre es eine Katastrophe hier nicht zuzustimmen. Werden die Rückzahlungen nicht ausgesetzt, dann wäre die Gemeinde von heute auf morgen in der Pleite und de facto zahlungsunfähig“, erklärt Murlasits.
ÖVP: „Pleitegerüchte sind Fake News“
Die Perchtoldsdorfer ÖVP sieht die Sache naturgemäß anders: Die von der Opposition aufgestellte Behauptung, Perchtoldsdorf sei pleite, wäre falsch und dem laufenden Wahlkampf geschuldet.
Die Marktgemeinde Perchtoldsdorf finanziere sich wie die meisten anderen österreichischen Gemeinden zum überwiegenden Teil aus den monatlich angewiesenen Ertragsanteilen des Bundes. Laut einer Prognose des Finanzministeriums würden die Ertragsanteile für Juni 2020 rund 32 % unter dem Vergleichsmonat des Vorjahres zu liegen kommen. Dieser erst begonnene Negativtrend würde sich noch weiter verstärken.
Die Tilgungsunterbrechung soll Liquiditätsengpässen im Gemeindehaushalt entgegenwirken. Die anfallenden Zinsen sollen in diesem Zeitraum weiter bedient bedient werde, um ein Anwachsen des Schuldenstandes zu vermeiden.