Die Beeinflussung demokratischer Wahlen durch andere Länder hat eine lange Tradition. Der Westen – und insbesondere die USA – haben eine lange Geschichte der Manipulation von Umfragen, der Unterstützung von Militärputschen, der Kanalisierung von Geldern und der Verbreitung politischer Propaganda in anderen souveränen Ländern. Dies hält bis in die Gegenwart an und wird auch mit Sicherheit auch nicht enden. Ein Skandal, könnte man meinen, aber eines muss an dieser Stelle festgehalten werden. Schon immer versuchten Staaten mit solchen Mitteln, ihre Position auf dem Schachbrett der Weltpolitik zu verbessern. So gesehen ist Russlands Einmischung bei den US-Wahlen 2016 kein Präzedenzfall.
Die offensichtliche Einmischung einer Nation kann beispielsweise schon im 18. Jahrhundert nachgewiesen werden. Bereits 1796 veröffentlichte ein französischer Agent Informationen, um die US-Wahlen zugunsten von Thomas Jefferson zu beeinflussen. Der als Diplomat getarnte Agent wollte Stimmung im Sinne Frankreichs machen.
Ob Russlands vermutliche Rolle im Trump-Wahlkampf (“Dear Hillary“) oder am historischen Beispiel von Frankreich, in beiden Fällen bevorzugte jeweils eine Nation eindeutig eine politische Partei im Ausland gegenüber einer anderen.
Die CIA hat eine unrühmliche Geschichte
Aber auch die USA selbst haben eine lange Tradition, die politischen Geschicke anderer Länder durch verdeckte Operationen zu lenken. Die moralische Grundlage war vielfach fragwürdig und der Kalte Krieg wurde oftmals als Vorwand genutzt, hinter welchem knallharte wirtschaftliche Interessen versteckt wurden.
Viele gut dokumentierte Geschichten belegen die Einmischung in, manchmal sogar die Aushebung von funktionsfähigen Demokratien durch die Vereinigten Staaten. So wurde unter anderem in einer Reihe von Ländern in der Karibik und Lateinamerika besetzt, nachrichtendienstlich oder sogar offen militärisch interveniert. Man erinnere sich aber auch an die Absetzung des demokratisch gewählten iranischen Premierministers Mohammed Mossadegh im Jahr 1953 oder an die Absetzung und Ermordung des kongolesischen Premierministers Patrice Lumumba im Jahr 1961.
Aber auch Putsche und Anstiftungen zu Staatsstreichen gegen demokratisch gewählte Populisten wurden angezettelt. Guatemala (1954), Brasilien (1964) aber auch Georgien (2003) sind hierfür Beispiele. Wenn man so will, staatlich geförderte Interventionen mit Hilfe der amerikanischen Hauptstadt.
Washington und Moskau: 117 manipulierte Wahlen weltweit (im Verhältnis 2:1 für die USA)
Abgesehen von Allianzen mit sogenannten Juntas, sprich Militärdiktaturen, versuchte Washington Wahlen weltweit über Jahrzehnte subtil zu beeinflussen, genauso wie Moskau. Der Politologe Dov Levin hat das enorme Ausmaß der Wahlinterventionen sowohl der USA als auch Russlands erforscht und berechnet. Dieser hält fest, dass „die beiden Mächte von 1946 bis 2000 in 117 Wahlen weltweit“ interveniert haben. Während die Sowjetunion, danach Russland, versuchten in dem Zeitraum in 36 Wahlen einzugreifen, waren die USA deutlich aktiver. Bis zum Jahr 2000 griffen die USA nachweislich 81-mal in fremde Wahlen auf der ganzen Welt ein, in der Mehrzahl davon – 56 Mal – im Geheimen über verdeckte Operationen der CIA.
(Anm. d. Red.: Den Datensatz der verdeckten und offenen ausländischen Beeinflussungen von Wahlen findet man hier. Mit diesem Link geht es zu einer interaktiven Karte)
Über die Jahre sind die Methoden insbesondere der USA immer subtiler geworden. Nach dem Ende des Kalten Krieges haben die Vereinigten Staaten ihre Finanzierungsaktionen auf Organisationen wie „National Endowment for Democracy“ outgesourct. Unter dem Vorwand einer „nationalen Stiftung für Demokratie“ sollen durch gezielte Zuschüsse und Hilfen Projekte von Nichtregierungsorganisationen im Ausland, die den USA genehme politische Ziele verfolgen, unterstützt werden.
CIA-Geheimakten: Als Leichen aus dem Keller stiegen
Im Kalten Krieg war der CIA fast jedes Mittel recht, um Interessen der USA in der Dritten Welt durchzusetzen. So manche Operation wurde nach Jahrzehnten von der CIA bestätigt. Umso mehr kommt die Frage auf, an wie vielen anderen Staatsstreichen und Aufständen die CIA noch beteiligt war. Einen allgemeinen Überblick findet man hier.
Fass ohne Boden (FoB) hat sich auf eine internationale Recherche begeben und eine Vielzahl an Operationen der CIA gesichtet.
1953: Iran – TPAJAX Projekt – “Operation Ajax”
Anlässlich des sechzigsten Jahrestages des Sturzes des iranischen Premierministers Mohammad Mosaddeq veröffentlichte das National Security Archive 2013 Dokumente die belegen, dass der amerikanische Geheimdienst CIA beim Staatsstreich im Iran von 1953 eine wesentliche Rolle getragen hat. Die Veröffentlichung der einst streng geheimen Dokumente belegt die detaillierte Aufschlüsselung der Planung und Durchführung des Putsches.
Am 19. August 1953 wurde der demokratisch gewählte iranische Premierminister Mohammad Mossadegh gestürzt, nachdem er die Ölindustrie verstaatlicht hatte. Im ganzen Land kam es zu massiven von den USA organisierten Protesten, bei denen fast 300 Menschen bei Feuergefechten auf den Straßen von Teheran ums Leben kamen. Nach der Rückkehr des Schahs Mohammad wurde Mosaddeq schlussendlich verhaftet, zu drei Jahren Gefängnis und anschließendem Hausarrest verurteilt.
Die autokratische Monarchie endete mit der Absetzung von Mossadegh 1979 und führte schlussendlich in einer Revolution, deren Folgen den Iran – und die ganze Welt bis in die Gegenwart – nach über 40 Jahren noch immer verfolgen.
1954: Guatemala – “Operation Success”
Die durchgeführte CIA-Geheimdienstoperation hatte das Ziel, den demokratisch gewählten Präsidenten von Guatemala, Jacobo Árbenz Guzmán, zu stürzen. Bei der Operation sollten die wirtschaftlichen Interessen des U.S. Unternehmens “United Fruit Co.” (heute Chiquita Brands International) sichergestellt werden. Guzmán hatte die Plantagen der United Fruit Corporation verstaatlichen lassen.
Dem Direktor des Unternehmens, Sam Zemurray, gelang es dank dem Propagandaspezialisten Edward Bernays, mit einer Werbekampagne, Präsident Guzmán zu diffamieren.
Währenddessen bildete die CIA eine „Befreiungsarmee“ von ungefähr 400 Kämpfern in Nicaragua aus und versorgte sie mit Waffen. Unter dem Befehl von Castillo Armas drang diese am 18. Juni 1954 über Honduras nach Guatemala ein. Arbenz musste am 27. Juni 1954 zurücktreten. Daraufhin amtierte Armas bis zur seiner Ermordung 1957 als diktatorisch regierender Präsident von Guatemala.
Seither trudelt Guatemala von einer Junta zur nächsten. Zwar gibt es seit 1986 immer wieder demokratisch legitimierte Präsidenten. Doch meist geraten sie nach kurzer Zeit ihrerseits in den Strudel von Bürgerkrieg und Korruption.
Hintergrundinformation: Mehrere Mitglieder der Regierung von US-Präsident Dwight Eisenhower hatten sehr enge Beziehungen zur “United Fruit Co.”. Zum einen John Foster Dulles, der damalige U.S. Außenminister, sowie sein Bruder Allen Dulles, der damalige Direktor der CIA. Beide Brüder waren für das Unternehmen als Anwälte, Lobbyisten und Aufsichtsratsmitglieder tätig.
1960: Kongo – „Operation Wizard”
Aus Furcht, die junge Republik Kongo könne sich mit der Sowjetunion verbünden, wollte die CIA den Ministerpräsidenten Patrice Lumumba wegputschen. Lumumba war Führer der Unabhängigkeitsbewegung und der erste freigewählte Regierungschef seines Landes.
Welche Priorität die Operation hatte, geht aus einer Korrespondenz des damaligen Direktors der CIA, Allen Dulles, und dem damaligen „Chief of Station-COS“ in Kongo, Larry Devlin, hervor: „Wenn Lumumba weiterhin an der Macht bleibt, wird das Ergebnis bestenfalls ein Chaos werden […]. Seine Entlassung muss daher für Sie ein vorrangiges Ziel sein.“ Die Operation wurde von Präsident Eisenhower persönlich genehmigt.
Am 17. Januar 1961 wurde der erste gewählte Premierminister der Demokratischen Republik Kongo ermordet.
1967: Bolivien – Suche nach „Che“ Guevara
Im April 1967 wussten KGB und CIA, dass der Revolutionär Ernesto Rafael Guevara de la Serna in Bolivien aufhältig war. Mit Hilfe des CIA wurde Ernesto „Che“ Guevara, der die rechte Hand Fidel Castros in der kubanischen Revolution war, aufgespürt.
Die Regierung der Vereinigten Staaten hatte weiterhin Angst, dass das revolutionäre Kuba Lateinamerika mit dem kommunistischen Virus infizieren würde.
Bereits 1965 erhielt Präsident Lyndon Johnson regelmäßige Updates über Guevaras Aufenthaltsort. Die bolivianischen Soldaten wurden aber trainiert, angeleitet und ausgerüstet von der US-Spezialeinheit „Green Berets“ und von CIA-Agenten.
Daher wurde am 9. Oktober 1967 „Che“, der wohl berühmteste Guerillero der Welt, ermordet. Bei der Hinrichtung war aber auch ein CIA-Agent, Felix Rodriguez, anwesend. Seine Ermordung erst habe den Mythos des “Che” geschaffen.
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Ausblick für die kommende Woche
Welche Rolle hatte die CIA in Afghanistan (1979), Serbien (2000), Georgien (2003) und Ukraine (2014). Insbesondere berichten wir über eine der größten, verdeckten Einsätze der CIA – „Operation Cyclone“. Konkret werden wir die Unterstützung der Mudschahedin gegen die sowjetischen Besatzer Afghanistans Ende der 1970er Jahre herausarbeiten. Es geht um den demokratischen Abgeordneten, Frauenhelden und Partylöwen Charlie Wilson, den sogenannten Bewaffner der Mudschahedin. Mit dieser Operation begann das fragwürdige jahrzehntelange Engagement der USA in Afghanistan, das letzte Woche, am 30. August 2021 so unrühmlich endete und wiederum in seinen Auswirkungen die ganze Welt, aber insbesondere Europa und somit auch Österreich betrifft.