Beim Lesen der heute eingebrachten parlamentarischen Anfrage „Asyl, Wohnung und falsche Identität für mutmaßlichen syrischen Kriegsverbrecher-General in Österreich auf Betreiben des BVT“ dürfte so manchem Referenten das Kaffeehäferl aus der Hand entglitten sein. Die Grundlage für die Anfrage war die „Fass ohne Boden“-Enthüllung „Dank BVT: Foltergeneral bekommt Wohnung und Asyl„.
Vollkommen schmerzbefreit möchte der FPÖ-Nationalrat und Fraktionsvorsitzender vom Ibiza-U-Ausschuss Christian Hafenecker in Erfahrung bringen, welche Rolle der mittlerweile pensionierte Direktor des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Peter Gridling bei der Anbahnung, Vorbereitung und Durchführung der Operation „White Milk“ hatte.
BVT-Operation „White Milk“
2015 reiste ein ehemaliger syrischer General mit Hilfe eines Partnerdienstes und dem BVT von Paris nach Wien ein. Dabei handelte es sich um den Leiter der Staatssicherheitsabteilung „Branch 325“ aus Ar-Raqqa (Syrien). Diese Abteilung unterstand direkt den Weisungen des Regimes von Baschar Al-Assad und war für die brutale Niederschlagung von Demonstrationen und Kundgebungen von Angehörigen der syrischen Opposition verantwortlich. Der Partnerdienst dürfte an diesem Mann besonderes Interesse gehabt haben, da dieser bereits in Syrien Informationen geleakt haben soll.
Geld spielt bei der Operation keine Rolle. Das BVT war lediglich in der Rolle eines Aufpassers und sollte auf den mutmaßlichen Foltergeneral ein Auge werfen. Die Kosten wurden vom fremden Dienst, sprich vom Mossad, getragen. Da es aber sich um eine österreichische Operation handelte und es zu einem Zeitdruck kam, wurde der syrische Foltergeneral zunächst in einer Wohnung des Schwiegervaters des österreichischen BVT-Spionageabwehrchefs versteckt.
Der General erhielt nach nur sechs Monaten einen positiven Asylbescheid. Und nach Sichtung der Dokumente ist klar, warum. Der Verfassungsschutz hat nachgeholfen, daher wird auch gegen BFA-Beamte in dieser Sache ermittelt.
Darüber hinaus wurde Anfang 2016 bei einem Treffen Bedenken von einer amerikanischen NGO geäußert, was die Rolle des Generals in Syrien anging. Doch das BVT und das Justizministerium haben an der Operation festgehalten. Zwei Jahre später erst sollte eine Europol-Anfrage Schwung in die Sache bringen. Nun wurde es für die österreichischen Behörden unangenehm.
Wer hat sich für die „Operation Milk“ eingesetzt?
Darüber hinaus will Hafenecker wissen, welche Rolle der ehemalige stellvertretenden BVT-Direktor hatte. Demnach soll dieser im Frühjahr 2015 anlässlich einer Auslandsdienstreise die Operation mit dem Mossad eingefädelt haben. Der Abgeordnete stellt aber auch die kritische Frage, ob der damalige Stellvertreter des BVT überhaupt befugt war, eine derart weitreichende Entscheidung, die auf die Souveränität und die Nationale Sicherheit Österreichs einen Einfluss genommen hat, zu treffen.
Besonders spannend erscheint die achte Frage: „Gehört es zu den Aufgaben des BVT, Kriegsverbrecher für andere Staaten nach Österreich zu holen und diese in das Asylsystem einzuschleusen?“
Streng geheimer „ND Verschlussakt“ gelangt zur WKStA
Die wohl wichtigste Frage zielt darauf ab, wie diese Dokumente überhaupt an die WKStA gelangen konnten. Wer hat im BVT den Auftrag erteilt, den sensiblen „Originalakt des BVT“ in der vorliegenden Form an die Justiz zu übermitteln?
Dies mag ein wenig seltsam klingen, jedoch ist Usus in so einem Fall, dass streng geheime Dokumente deklassifiziert werden. Das bedeutet, die Geheimhaltungsstufe wird runtergestuft. Dies ist aber nur in Abstimmung mit dem Partnerdienst möglich. Und wie es aussieht, sei dies nicht in Absprache mit dem Mossad erfolgt. Am Ende der Anfrage will Hafenecker wissen, welche Maßnahmen das BVT unternommen hat, um das Vertrauen wieder zu erlangen. Das Vertrauen in den österreichischen Nachrichtendienst ist im Keller.
Mit einer Beantwortung ist in den kommenden acht Wochen zu rechnen. Für alle Genannten gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung.