Am Landesgericht Wien für Strafsachen wurde heute, am 24.10.2017, ein 30-Jähriger Mann (Jahrgang 1987) für gewerbsmäßigen Diebstahl nach § 130 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Angeklagte habe bereits in der Vergangenheit mehrere Vorstrafen in ähnlichen Fällen ausgefasst.
Vorwurf: Diebstahl von Monitoren und Fahrrädern im Raum Wohnpark Alterlaa
Der Aufenthaltsraum am Landesgericht Wien, vor dem Verhandlungsraum 102, war heute wahrlich prall gefüllt. Eine Vielzahl an Zeugen und Geschädigten ließen keinen Platz im Warteraum mehr zu. Man würde auch sagen “Steh-Cocktail”. Aber auch eine Dolmetscherin sowie zwei Personen mit Migrationshintergrund warteten auf ihren Aufruf durch den Richter. Die Vielzahl an Zeugen und Geschädigten wurden ab 0915 Uhr durch den Richter des Landesgerichts der Reihe nach befragt.
Die Zeugenaussagen hatten es in sich
So hat beispielsweise ein Vertragsbediensteter der Wiener Linien sich über einen Sachverhalt wie folgt geäußert: “Ich wollte verhindern, dass er mit zwei Rädern [Anm. d. Red.: in die U-Bahn] einsteigt.” Hintergrundinformation: Der Vertragsbedienstete, der als Stationsaufsicht im heurigen Jahr bei der U-Bahn Station Alterlaa seinen Dienst versehen hatte, wollte den Angeklagten nicht mit zwei Damenrädern vor 1830 Uhr in eine U-Bahn einsteigen lassen. Mit “Überredungskunst” konnte er ihn von seinem Vorhaben abhalten. Darüber hinaus hat er den Beschuldigten aufgefordert, die Zigarette auszumachen, da im U-Bahn Bereich “Rauchverbot” herrsche.
Nachdem die Einsatzkräfte der Wiener Polizei verständigt wurden, konnten diese den Beschuldigten anhalten. Auf die Frage der Exekutivbeamten, woher die Räder stammen, zitierte der Richter eine Aussage des Angeklagten: “Er habe die Räder in der Liesing gefunden.”
Darüber hinaus stellte der Richter dem Bediensteten die Frage, ob der Angeklagte unter Einfluss von Suchtmittel oder anderwärtigen Substanzen gestanden sei. Der Bedienstete: “Ganz frisch ist er mir nicht vorgekommen.” Der Gerichtssaal brach in Gelächter aus. Der Richter nahm es gelassen.
Richter an 13 Privatbeteiligte: “Wollen Sie sich dem Verfahren als Privatkläger anschließen?”
Nach der Einvernahme von mehreren Zeugen wurden 13 Personen in den Gerichtssaal gebeten. Die Vielzahl der Personen gaben jedoch an, dass sie sich nicht dem Verfahren anschließen möchten, da bereits die Versicherung den Schaden bezahlt habe. Eine Frau hingegen gab an, dass sie “250 Euro” für ihr Hinterrad erhalten wollen würde. Der Beschuldigte anerkannte die Forderung der Frau.
Zwei Zeuge sind nicht erschienen
Nachdem der Richter eine Person ausrufen ließ, die aber nicht erschien war, schaltete sich der Verteidiger des Angeklagten ein: “Ich würde Herrn M. sehr gerne hören.” So ließ der Richter in Erfahrung bringen, ob sich die besagte Person zum Zeitpunkt der Verhandlung in Untersuchungshaft befinden würde, da der Verteidiger dies in den Raum gestellt habe. Wenige Minuten später kam der Rückruf der Justizanstalt, die der Richter als Botschaft verlauten ließen: “Er sitzt nicht.”
Dolmetscherin und zwei Befragungen zu einer Schusswaffe und Kokain
So gab ein Zeuge folgende Wahrnehmung wider, der mit Hilfe einer Dolmetscherin die Fragen des Richters beantworten konnte: “Er ist abgestiegen und hat eine Waffe rausgezogen.” Die Dolmetscherin übersetzte auch weitere Fragen des Richters: “What did he do with the gun?”
Im weiteren Verlauf der Befragung wurde deutlich, dass der Zeuge sich an eine Streife der Exekutive wandte, um der Exekutive von der Wahrnehmung einer Schusswaffe zu berichten. Zwar habe die Exekutive unmittelbar danach den Angeklagten angehalten und kontrolliert, jedoch konnte keine Waffe beim Angeklagten sicher gestellt werden.
Auf die Frage, warum der Angeklagte überhaupt sich an die Personengruppe (vier Personen) gewandt habe, ließ der Richter die Aussage des Angeklagten vorlesen. “Er wollte Kokain kaufen, er habe dann doch nicht kaufen wollen, da die Qualität beim letzten Kauf schlecht gewesen sei.”
Auch der Verteidiger hatte mehrere Fragen an den Zeugen. Die Dolmetscherin: “Are you part of the drug scene?” Der Zeuge: “No.”
Auch dem zweiten Zeugen musste eine Dolmetscherin zur Seite gestellt werden. Bei dem Zeugen handelte es sich um eine weitere Person, der besagten Gruppe von vier Männern. Auch dieser wurde mit der Aussage des Beschuldigten, die durch den Richter verlesen wurde, konfrontiert: “Er hätte von Ihnen Kokain kaufen haben wollen, aber die Qualität sei schlecht” gewesen. Auf die finale Frage des Richters, ob der Zeuge den Angeklagten jemals gesehen habe, antwortete dieser: “Ich kenne ihn nicht.”
Therapieplatz und “zum Teil geständig”
Gegen Ende der Verhandlung befragte der Richter den Angeklagten, ob dieser aktuell Drogensubstitute zu sich nehmen würde. Dieser: “Ja. 40 mg Methadon pro Tag.” Darüber hinaus ließ der Verteidiger verkünden, dass sich der Angeklagte selbstständig um einen Therapieplatz gekümmert habe. Dies sei als Bitte des Verteidigers als mindernde Umstände von Seiten des Richters zu werten.
Schlussworte des Richters
Der Richter hielt den Angeklagten für “schuldig”.
Nach der Verlesung des Urteils, wo eine Vielzahl an entwendeten Monitoren vom Kaufpark Alterlaa und Fahrrädern aus dem Umgebung des Kaufparks Alterlaa aufgezählt, und der dadurch entstandene Schaden verlesen wurde, erörterte der Richter das Urteil.
Unter anderem seien Videoüberwachungen und Beobachtungen durch Zeugen ausschlaggebend gewesen, das Urteil zu fällen. Andere Fakten, wie beispielsweise die “gefährliche Drohung und Waffenbesitz”, seien ausgeschieden worden.
Laut Verteidiger des Angeklagten wurde auf Rechtsmittel verzichtet. Von Seiten der Verteidigung sei ein Antrag auf Aufschub des Strafvollzuges (§ 39 Suchtmittelgesetz) eingebracht worden.
Fazit
Es bleibt zu hoffen, um die Verteidigung des Angeklagten zu zitieren, dass “eine allerletzte Chance” vom Angeklagten in Zukunft auch genützt wird.
Zur Erörterung: § 39 SMG Aufschub des Strafvollzuges
“39. (1) Der Vollzug einer nach diesem Bundesgesetz außer nach § 28a Abs. 2, 4 oder 5 oder einer wegen einer Straftat, die mit der Beschaffung von Suchtmitteln in Zusammenhang steht, verhängten Geldstrafe oder drei Jahre nicht übersteigenden Freiheitsstrafe ist nach Anhörung der Staatsanwaltschaft – auch noch nach Übernahme in den Strafvollzug (§ 3 Abs. 4 Strafvollzugsgesetz – StVG) – für die Dauer von höchstens zwei Jahren aufzuschieben, wenn
1.
der Verurteilte an Suchtmittel gewöhnt ist und sich bereit erklärt, sich einer notwendigen und zweckmäßigen, ihm nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar aussichtslosen gesundheitsbezogenen Maßnahme, gegebenenfalls einschließlich einer bis zu sechs Monate dauernden stationären Aufnahme, zu unterziehen, und
2.
im Fall der Verurteilung zu einer 18 Monate übersteigenden Freiheitsstrafe wegen einer Straftat, die mit der Beschaffung von Suchtmitteln in Zusammenhang steht, der Vollzug der Freiheitsstrafe nicht im Hinblick auf die Gefährlichkeit des Täters geboten erscheint, insbesondere weil die Verurteilung wegen Straftaten erfolgt ist, die unter Anwendung erheblicher Gewalt gegen Personen begangen worden sind.
(2) Das Gericht kann die Art der gesundheitsbezogenen Maßnahme bestimmen (§ 11 Abs. 2 Z 1 bis 5). Liegt bereits eine Stellungnahme einer der in § 35 Abs. 3 Z 2 genannten Stellen oder das Ergebnis der Begutachtung durch den Arzt einer Einrichtung oder Vereinigung nach § 15 vor, so hat das Gericht die Stellungnahme oder das Ergebnis der Begutachtung für die Bestimmung der Maßnahme und die Beurteilung der Voraussetzungen und Bedingungen des Abs. 1 Z 1 heranzuziehen, es sei denn, dass eine Änderung der dafür erheblichen Umstände anzunehmen wäre.
(3) Das Gericht kann den Verurteilten auffordern, Bestätigungen über den Beginn und den Verlauf der gesundheitsbezogenen Maßnahme vorzulegen.
(4) Der Aufschub ist zu widerrufen und die Strafe zu vollziehen,
1.
wenn der Verurteilte sich einer gesundheitsbezogenen Maßnahme, zu der er sich gemäß Abs. 1 Z 1 bereit erklärt hat, nicht unterzieht oder es unterlässt, sich ihr weiterhin zu unterziehen, oder
2.
wenn der Verurteilte wegen einer Straftat nach diesem Bundesgesetz oder wegen einer im Zusammenhang mit seiner Gewöhnung an Suchtmittel begangenen Straftat neuerlich verurteilt wird und der Vollzug der Freiheitsstrafe geboten erscheint, um den Verurteilten von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten.” (§ 39 SMG, RIS)
Neue Rubrik: Verhandlungen vom Landesgericht Wien
In Zukunft wird die Redaktion von Fass ohne Boden in unregelmäßigen Abständen über Verhandlungen vom Landesgericht Wien für Strafsachen berichten.