Am Mittwoch der vergangenen Woche streikten die Wiener Hausärzte. Im vergangenen September streikten die Wiener Spitalsärzte. Und bald werden die Ärzte der Wiener Ordensspitäler streiken. Seit Monaten laufen in Wien „Verhandlungen“, die immer denselben Inhalt haben und immer denselben Frust erzeugen: Die Wiener Ärzteschaft wird bei wichtigen gesundheitspolitischen und strategischen Entscheidungen zur Weiterentwicklung des Wiener Gesundheitssystems nicht eingebunden. Da wird verächtlich drübergefahren und die Ärzte bleiben außen vor.
Weder das Spitalskonzept 2030, in dem geschrieben steht, dass es ab 2030 neben dem AKH nur mehr 6 große Schwerpunktspitäler in Wien geben wird, noch die geplante Errichtung der Primärversorgungszentren (PHC), wurden mit der Interessensvertretung der Ärzteschaft (nämlich der Kammer) ausreichend besprochen. Mit-entscheiden durften die bestausgebildeten und höchstqualifizierten Leute des Gesundheitswesens ohnehin von Anfang an nicht. Wo kämen wir den da hin, wenn Ärzte ihrer Profession gemäß für die Art und Weise der zukünftigen Patientenversorgung etwas entscheiden?
Wozu auch sollen erfahrene Ärzte bei politischen Tricksereien mitreden und konstruktive Vorschläge einbringen? Rein parteipolitisch denkende Stadträtinnen, nur am Kostendruck und an der Einsparung orientierte Bürokraten und diverse Berater, die immer das Lied dessen singen, wessen Brot sie essen, reichen doch völlig aus, um den „Menschen in den Mittelpunkt“ zu stellen (was für ein Euphemismus!) und das „beste System der Welt zeitgemäß“ zu gestalten.
Erinnern wir uns kurz: Ganze Abteilungen sollen verschwinden und in großen Zentren zusammengeführt werden. Ab 2030 hat dann ganz Wien z.B. nur mehr eine Abteilung für Augenheilkunde und eine für Hautkrankheiten. Die Zentren werden uns bereits jetzt als die große medizinische Entwicklung verkauft, weil man dort „die Kompetenzen bündeln“ wird. Und die Patienten werden ihre Geldscheine bündeln müssen, um entweder ins Wahlarzt- und Privatarztsystem abwandern zu können oder zumindest genug Ressourcen für die vielfachen Taxifahrten ins weit entfernte Zentrum zu haben.
Natürlich werden die Härten der angeblich kostensparenden und ausschließlich „am Patienten orientierten“ Neuerungen von den gütigen Politikern abgefedert und für „die Menschen draußen“ wird es Alternativen geben: Die zur Zeit von ihren politischen Fans hochgejubelten PHCs sollen diese Alternative sein. Die mdeizinsiche Versorgung der Alltagsbeschwerden wird dort stattfinden. Anonyme Massenabfertigung inklusive.
Im Nationalrat wurde dieser Tage die Bereitstellung von 200 Millionen Euro für die österreichweite Entwicklung von 75 Zentren dieser Art beschlossen. Das Elysium der Primärversorgung, wo sich etliche Ärzte, Pfleger, Sozialarbeiter und Physiotherapeuten in linksromantischer Gleichheit auf Augenhöhe begegnen werden und den Patienten umfassend und in der „integrativen Versorgung“ betreuen werden, ist endlich gefunden. Es wird alles super.
Die Realität straft diese Pläne Lügen: In Wien gibt es ein einziges (!) Vorzeigemodell in Mariahilf, das pro Jahr 200.000 Euro an Subvention von der Gemeinde kassiert, ansonsten wäre es gar nicht in Betrieb gegangen. Ein zweites PHC unmittelbar beim SMZOst ist seit Jahren ausgeschrieben, es findet sich aber niemand, der es übernehmen will. Seltsam, seltsam. Warum will das bloß niemand?
Die bundesweite Planung der PHCs fußt also auf einem einzigen Wiener Standortmodell, das neben einer U-Bahnstation beheimatet ist, in Innenstadtnähe und in einer frequentierten Einkaufsgegend liegt und von der Gemeinde Wien gesponsert wird. Aufgrund dieser Eigenschaften ist das Modell natürlich idealtypisch für die Verhältnisse etwa im unterversorgten Waldviertel oder im Innervillgratental in Tirol und kann dort problemlos übernommen werden.
Vor allem das gähnend leere, weil noch gar nicht in Betrieb befindliche PHC beim SMZOst bietet sich als Vorbild an. Ein Geisterhaus kann man überall hinstellen und auch medienwirksam eröffnen. Was danach passiert, ist Politikern ja immer relativ wurscht. Ziele kann man stets auf nach der Wahl verschieben. „Zuerst müssts mich wählen, dann mach ich Euer superneues PHC fertig!“ –klingt doch gut für Bürgermeister und Stadträte.
Man könnte natürlich sagen, da wird ein gewaltiger sozialistischer Schildbürgerstreich zum staatlichen Dogma gemacht. Hätte man auf die Wiener Ärzte gehört, gäbe es andere Modelle: Stärkung des Hausarztes (so steht es auch im Regierungsprogramm), neue Wege in der Ordinationsstruktur durch die Möglichkeit der Anstellung von Ärzten bei Ärzten, klare Zuordnung der Verantwortlichkeiten von Haus- und Fachärzten wie etwa Schaffung einer Gatekeeper-Funktion für Allgemeinmediziner, Neuordnung der unwürdigen Honorarsituation, über die jeder Installateur oder Schlüsseldienstmann lauthals lacht, wenn er etwa die Tarife für den Hausbesuch erfährt.
Ganz grundsätzlich sei der (Wiener) Politik ins Stammbuch geschrieben: die zynische Menschenverachtung, mit der man gerade den Ärzte in einer wichtigen Phase des Umgestaltung begegnet, die merken auch die Wiener Patienten. Die sind nicht so blöd, wie das die Stadtpolitik gerne hätte. Und unsere Patienten lassen sich nicht gerne ihre Ärzte schlechtreden, schon gar nicht von sozialistischen und grünen Rathauspolitikern wie der verantwortlichen SP-Stadträtin Wehsely oder der grünen und immer beissend ärztefeindlichen Patientenanwältin Pilz.
Wir sind gespannt, ob die im Parlament getätigte Ansage der Bundesministerin Oberhauser, die eine Rückkehr an den Verhandlungstisch in Aussicht stellte, nur vorweihnachtliche Lippenbekenntnisse zur Sicherung des Friedens waren oder ob doch noch ein Umdenken in den linksideologisch ausgerichteten rotgrünen Wiener Köpfen einsetzt.