Im Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) werden die Gerüchte dichter, dass die politische Führung (also die Große Mutter SPÖ-Wien) eines ihrer Riesen-Babies weglegen will: Nämlich gleich den ganzen KAV. Die Kindesweglegung soll angeblich auch mit dem größten anzunehmenden sozialistischen Sündenfall verbunden sein – der totalen Privatisierung. (Viele andere Möglichkeiten gibt es ohnehin nicht mehr, denn „ausgegliedert“ und in eine Art verzwergte Selbstverantwortung entlassen ist der rote Riese eh schon lange. ) Sachliche Gründe für eine Privatisierung gäbe es genug. Sie lauten: Geldnot, Defizit, Managementprobleme, exorbitante Unzufriedenheit der Mitarbeiter , Strategieprobleme, Polit-Sumpf usw.
Aber was ist dran an den Gerüchten? Auch die über Jahrzehnte nibelungentreue rote Gewerkschaft ist nun in der Bassena angekommen und gib sich höchst irritiert ob des Tratsches, der dort herrscht. Die Leitung der gewerkschaftlichen Personalvertretung hat am 2. November an den Vorstand des KAV ein Schreiben gerichtet, in dem sie die sofortige Aufklärung der Gerüchte verlangt und sich von allen Vorgängen rund um eine Privatisierung bzw. von dieser an sich distanziert.
Die unklare Situation sei weder den Wienern noch dem Personal zumutbar, schreiben die Gewerkschafter. Und haben natürlich recht damit. Wenn wirklich eine Privatisierung des schwer defizitären KAV herandräut, dann sollte diese erstens gut vorbereitet, zweitens gut gemacht und drittens gut kommuniziert werden.
Der größte Fehler im Management ist, über ungelegte Eier zu gackern – wobei natürlich in einem Polit-Betrieb wie dem KAV nichts geheim bleibt und irgendwo immer einer den großartigen Whistleblower spielen will. Man gönnt sich ja sonst nichts im Polit-Büro der SPÖ-Wien. Auch im Obersten Sowjet gab es Schwätzer. Warum sollte es also in Wien anders sein?
Dramatisch jedenfalls ist: Falls es zur Privatisierung kommt, dann ist das der Offenbarungseid der Wiener SPÖ. Danach ist nichts mehr, wie es war. Der Sozialismus hat im Gesundheitssystem endgültig versagt und dieses Versagen muss dann auch noch öffentlich mit der Privatisierung eingestanden werden. Da nützen die allerschönsten Euphemismen nichts mehr, jeder Wiener wird wissen, was es geschlagen hat.
Wien, die Weltstadt der Medizin, deren Kronjuwelen immer die großen Krankenhäuser wie das AKH oder das Krankenhaus Hietzing waren, steht dann ohne seine jahrhundertealten Insignien da. Die gehören dann einem Privaten. Selbst wenn „nur“ die Betriebsführung ausgegliedert und privatisiert wird, für die Wiener SPÖ kommt das einer Selbstaufgabe gleich.
Um nicht missverstanden zu werden: Der Autor dieser Zeilen ist ein Verfechter einer qualitativ hochstehenden Privatmedizin. Aber es muss auch eine gute öffentliche Versorgung durch öffentliche Träger gewährleistet sein. In etlichen großen Städten Deutschlands wurden die städtischen Spitäler bereits privatisiert, der Ablauf rund um die Privatisierungen und die ersten Ergebnisse waren aber alles andere als optimal -zumindest aus ärztlicher Sicht.
Man hat an den Entwicklungen in Deutschland gesehen, dass bei rein profitorientierten Groß-Krankenhäusern von den nicht-ärztlichen Geschäftsführern enormer Druck auf die Ärzte ausgeübt wurde, die gewinnbringenden operativen Leistungen massiv zu forcieren. Das führte zur Häufung von bestimmten gut bezahlten Operationen und zur Verschlechterung in der konservativen Versorgung chronisch Kranker und alter Patienten: Die sind nämlich immer teuer und personalintensiv. In der Privatisierungsfrage lauert also eine ethische Gefahr, die den Patienten schweren Schaden zufügen kann.
Die KAV-Privatisierung wird nur funktionieren, wenn die besten medizinischen Experten als Führungsorgane und Verantwortliche eingesetzt werden. Und die besten Experten sind nun einmal die Ärzte. Internationale Studien (McKinsey) haben gezeigt, dass Spitäler in medizinischer und wirtschaftlicher Hinsicht weitaus am besten funktionieren, wenn Ärzte die oberste Führung innehaben. Weder Ökonomen noch sonstige Profis des Gesundheitswesens reichen an die Gesamtqualität der Mediziner heran.
Dem KAV und der finanziell kaputten und sonst auch recht angegriffenen roten Stadtverwaltung sei daher ins Stammbuch geschrieben: Wenn Ihr den KAV privatisiert, dann ja nicht ohne die Ärzte federführend einzubinden. Sonst ist euer politischer Schaden noch größer und der an den Patienten womöglich überhaupt katastrophal.
Über Marcus Franz
Polit-Diagnostiker mit Therapiekonzept.
Arzt, Nationalratsabgeordneter, Blogger, fraktionslos und frei.