Die Gemeinde Wien will erklärtermaßen das sogenannte „Spitalskonzept 2030“ umsetzen. Dieser Plan wurde auch unter dem Titel „6+1“ bekannt – was soviel heißt wie: Sechs große Gemeinde-Spitäler und das AKH sollen die Wiener Krankenhauslandschaft dominieren. Das wiederum bedeutet, dass bis zum Jahre 2030 in Wien die spitalsmäßige Schwerpunktbildung Vorrang vor allem anderen haben soll.
Bisher waren die Spitäler zweifellos dazu geneigt, überall und für jeden alles oder zumindest sehr viel anzubieten. Das war nicht ideal, weil die Spezialisierung der Medizin rasant fortschreitet und heute längst nicht mehr jeder immer alles und überall können oder anbieten kann. Aber wie so oft schlägt nun das Pendel in die Gegenrichtung – und zwar mit ordentlichem Schwung.
Schwerpunkte und Konzentrationen
Schwerpunkte und Konzentrationen zu bilden heißt ja im Klartext, dass Reduktionen an anderen Standorten stattfinden müssen. Die Zauberformel aus der Generaldirektion des Wiener Krankenanstaltenverbunds (KAV) lautet aktuell: Jeweils zwei Partnerspitäler werden in drei Versorgungsregionen zusammengeschaltet:
- Region West (KH Hietzing, Wilhelminenspital),
- Region Süd (KH Kaiser Franz Josef und KA Rudolfsstiftung) und
- Region Nord-Ost (Donauspital und das im krisenhaften, verzögerten und superteuren Bau befindliche KH Nord).
Das AKH bleibt unverändert ein monströser Zwitter, der von Bund und Gemeinde verwaltet und betrieben wird. Der Medizin-Riese, immerhin das zweitgrößte Spital der Welt, soll weiterhin alles für alle anbieten, frei zugängig, immer verfügbar, immer gratis.
Interessant bei den Plänen der Stadt Wien ist, dass sich alles ums Spital und ums Bauwesen dreht. Dringend notwendige Organisationsveränderungen zur besseren Zusammenarbeit zwischen Spital und niedergelassenen Ärzten (Ordinationen) wurden nicht angedacht. Alle werden daher weiterhin in die Ambulanzen strömen, auch wenn es bald wesentlich weniger davon geben wird. Beträgt halt die Wartezeit dann 8 Stunden statt drei. Erste Beinahe-Schlägereien hatten wir ja schon: im Sommer war die Kinderambulanz des SMZ-Ost Schauplatz einer solchen. Personalausdünnung und bürokratische Exzesse tun ihr Übriges.
Allheilmittel PHC (Primary Health Care)
Sinnvolle Selektionen durch Gatekeeper-Systeme oder den Spitälern vorgelagerte Praxen sind ja nicht geplant. Politisch wird zwar dauernd vom angeblichen Allheilmittel PHC (Primary Health Care) fantasiert, aber bis dato gibt es in Wien nur ein einziges solches PHC-Center (in Mariahilf). Und das wird von Leuten betrieben, die der rotgrünen Regierung sehr nahe stehen und fleißig Subventionen von der Stadt Wien kassieren – zum Leidwesen der vielen Betreiber von kleinen Ordinationen, die natürlich von niemandem finanziell gesponsert werden, aber ständig die Buhmänner und -frauen der Stadt sein müssen. Würde die Gemeinde hier pekuniäre Unterstützung bieten, wären blitzartig neue Versorgungsmodelle zu schaffen.
Das Motiv ist klar: Ärzte sind Freiberufler und die Freiheit ist Linksideologen immer ein Dorn im Auge.
Masterplan des KAV
Aber im Masterplan des KAV und der Stadt ist etwas anderes enthalten: Man will den Arzt als „Einzelkämpfer“ ausrotten, denn die Mediziner sollen zu teamgeistigen und steuerbaren Funktionären des Systems werden. Das Motiv ist klar: Ärzte sind Freiberufler und die Freiheit ist Linksideologen immer ein Dorn im Auge. Kollektive müssen her, am besten mit allen Disziplinen des Gesundheitssystems unter einem Dach und jeder darf „auf Augenhöhe“ mitbestimmen. (Nur die Verantwortung, die soll natürlich beim Arzt bleiben.) Das Ganze nennen wir dann PHC und brüsten uns damit.
Zumindest am Reissbrett der Gesundheitspolitiker und -planer, die ihre Agenda ja immer weniger am Patienten, dafür immer mehr an der Sparwut, an der Bürokratie, am Bauwesen und an diversen profilierungssüchtigen und oft ärztefeindlichen Ideen orientieren, ist trotzdem alles super und zukunftsorientiert. Man ist ja in Wien und da hat die SPÖ immer recht. Und natürlich haben auch die Grünen immer recht, weil die verbieten nicht nur bald den privaten Autoverkehr, sondern sie stellen auch die Patientenanwältin, die wiederum der roten Stadträtin sehr ergeben ist und daher zwar viel im Sinne von Rot(-grün) agiert, aber kaum auf der medizinischen Versorgungsebene denkt. Und wenn, dann im Angriffsmodus auf die Ärzteschaft.
Anders gesagt: Die organisatorische Versorgung für alte Patienten wird definitiv schlechter.
In der Realität gib es wegen der hochtrabenden Pläne der Stadt schon jetzt ordentlich Stunk, vor allem unter den Ärzten, aber auch bei den mitdenkenden Bürgern: Für mediale Aufregung sorgte etwa das Vorhaben, die drei Augenabteilungen des KAV ebenso wie die dermatologischen Abteilungen in der Rudolfsstiftung zu bündeln. Was heißt diese Bündelung konkret für die Patienten? Der 87-jährige Augenpatient vom Bisamberg muss ab 2030 in die Rudolfstiftung einpendeln, um dort seinen Grünen Star behandeln zu lassen. Ein „brada Weg“, wie man in Wien zu sagen pflegt. Und: Es wird 2030 sehr viele über 80-Jährige geben, die sehr viel Spitalsmedizin brauchen werden, denn die geburtenstarken Jahrgänge aus den 50ern und 60ern sind dann schon recht betagt. Anders gesagt: Die organisatorische Versorgung für alte Patienten wird definitiv schlechter.
Kontroll- und Planungswut der Bürokraten und Verwalter
Das Spitalskonzept 2030 ist also nicht wirklich an der Altengesellschaft der Zukunft ausgerichtet, sondern nur an überkommenen und leidigen Schlagwörtern wie Effizienz, Kompetenzzentrum, Qualitätssicherung etc. Wo immer auch heutzutage diese Wörter auftauchen, kann man sicher sein, dass es Behübschungen für Bürokratie-Konstrukte sind, die nur einen Zweck haben: Die Kontroll- und Planungswut der Bürokraten und Verwalter zu befriedigen.
Noch ein Punkt am „Spitalskonzept 2030“ ist interessant und aufschlussreich: In Wien gibt es 8 gemeinnützige Ordensspitäler, die ca. 20% der Patientenversorgung gewährleisten. Das heißt: Jeder 5. Wiener Spitalspatient wird in einem Ordenskrankenhaus behandelt und die sollen das auch weiterhin tun. Wenn man aber die Ordensspitäler im Konzept der Stadt sucht, wird man nicht fündig: Sie werden im Spitalsplan nicht einmal erwähnt. Dabei reden die verantwortlichen Politiker immer von Kooperation, Teamwork und Zusammenarbeit – allein, die Realität straft alle diese Aussagen Lügen. Das Konzept der Schwerpunkte könnte also zu einem der Tiefpunkte werden.
Über Marcus Franz
Polit-Diagnostiker mit Therapiekonzept.
Arzt, Nationalratsabgeordneter, Blogger, fraktionslos und frei.
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