Mezzo-Kriminalbeamter in der Soko-Ibiza
Ein Ermittler wurde bereits abgezogen, weil er eine SMS versendet hat. Das könnte Konsequenzen für einen weiteren Beamten mit sich ziehen. Aufgrund der „Mezzo“-Unterlagen, sowie Gesprächen mit mehreren Informanten und Beschuldigten ist der Redaktion bekannt, dass es zumindest eine weitere Person in der Soko-Ibiza gibt, die bereits im Jahr 2013 als Ermittler mit einem Protagonisten aus „Mezzo“ zu tun hatte. Rückblick: Die Operation „Mezzo“ hat zur Zerschlagung eines Schmugglerrings von Zigaretten geführt.
Operation „Mezzo“
Wie bereits Fass ohne Boden, welt.de und oe24.at mehrfach berichtet haben, steht der Projektname „Mezzo“ für eine verdeckte Operation aus dem Jahr 2013, bei dem ein krimineller Ring ein Jahr zuvor unterwandert und im März 2013 überführt wurde.
Der 18-seitige Bericht beschreibt Schritt für Schritt die Unterwanderung eines georgischen Netzwerks in Wien. Die 18 „Meeting minutes“, sprich Sitzungsprotokollen, erörtern die Zusammenarbeit mit Bundeskriminalbeamten, Zollbeamten und den Sicherheitsberatern von der – inzwischen insolventen – „Gruppe Sicherheit“ („The Group“). Der eingesetzte Undercover-Agent war aber kein Polizist, sondern jener Sicherheitsberater, der als Ibiza-Lockvogel weltweit für Schlagzeilen gesorgt hat. Die Ermittlungen des „outgesourcten Projekts“ bezahlte ein internationaler Tabakkonzern.
Der eigentliche Zugriff, sprich die Razzia, wurde aber als „Routinekontrolle“ der Medienlandschaft kommuniziert. Dieser Spin gilt mittlerweile durch den geleakten Bericht von Fass ohne Boden widerlegt. Bei der Razzia wurden Zigaretten im Wert von 1,2 Millionen Euro, eine Maschinenpistole, eine Faustfeuerwaffe und Kokainbesteck mit Drogenspuren sichergestellt. (Zum vollständigen Bericht: Mezzo)
Konspirative Seilschaft: Kriminalbeamte kooperieren mit fragwürdigen Sicherheitskräften
Innenminister Peschorn sprach noch im August in einem Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunkformat ZIB 2 von „einem der spannendsten Kriminalfälle der zweiten Republik“. Im Zuge des Interviews schloss er eine Befangenheit der Soko-Ibiza, hieß es noch vor zwei Wochen, aus. Ebenfalls soll es nicht, laut Beantwortung der parlamentarischen Anfrage von Stefanie Krisper (NEOS), je zu einer Kooperation von BK-Beamten und der Firma Konsic GmbH gegeben haben. Aus einem Dokument aus dem Jahr 2015 stellt sich die Sache wie folgt dar:
Erste Konfrontation: Pensionierter Kriminalbeamter
Vor wenigen Tagen hat Fass ohne Boden jenen pensionierten Kriminalbeamten zu einem Interview eingeladen, der 2011-2014 in der Causa Mezzo ein leitender Kriminalbeamter und 2015 im Firmenorganigramm der Konsic GmbH enthalten war, um eine ausführliche Darlegung zu ermöglichen. Ohne Erfolg.
Zweite Konfrontation: Soko-Ibiza Ermittler
Aber auch jener Beamter, der bei den Ermittlungen von „Mezzo“ im Jahr 2013 involviert war, hat sich bis dato nicht zum Unternehmen und der Zusammenarbeit mit den Sicherheitskräften geäußert. Der Kriminalbeamte wurde sowohl per SMS, als auch per E-Mail kontaktiert und mit Fragen der Redaktion konfrontiert. Auch hier erhielt die Redaktion keine Antwort vom Ermittler. Der Pressesprecher des Bundeskriminalamts hat zwar nach wie vor keine einzige Frage der Redaktion beantwortet, weder vom 10.Juli 2019, noch vom 6.September 2019, jedoch kommentiert dieser, dass die gestellten Fragen „nichts mit der Realität“ [sic!] zu tun hätten.
Offenlegung der Fragen an Ermittler der Soko-Ibiza
Fass ohne Boden legt daher jene Fragen offen, die dem Kriminalbeamten gestellt wurden:
- Welche Rolle hatten Sie aus Ihrer Sicht in den Ermittlungen und Observationen in der Causa „Mezzo“ aus dem Jahr 2013?
- Wie beschreiben Sie die Zusammenarbeit mit J. H. während der Zeit vom 4. Jänner 2013 bis 13. März 2013?
- Wie beschreiben Sie die Zusammenarbeit mit J. H. nach dem 13. März 2013 in der Causa „Mezzo“?
- Wie beschreiben Sie die Zusammenarbeit mit S. W. während der Zeit vom 4. Jänner 2013 bis 13. März 2013?
- Wie beschreiben Sie die Zusammenarbeit mit S. W. nach dem 13. März 2013 in der Causa „Mezzo“?
- Hatten Sie nach dem Aufliegen des Zigarettendepots im Jahr 2013 bis zu Ihrer Bestellung in die SOKO-Ibiza Kontakt zu J. H.?
- Hatten Sie nach dem Aufliegen des Zigarettendepots im Jahr 2013 bis zum heutigen Tag Kontakt zu S. W.?
- Warum haben Sie keine Maßnahmen (Stichwort Meldepflicht) nach Kenntnis des Berichts „Project “Mezzo” – Austria“ (Seite 16) und der folgenden Passage: „Our team leader was present when “G” and G. aka G. D. discussed a high ranking officer of the BKA who is on the payroll of “E” and therefore offers him a great deal of protection from various investigations. This officer according to “G.”(M) is getting paid 10.000 EUR per months by “E.”.“ gesetzt?
- Sehen Sie eine Unvereinbarkeit in Ihrer Ermittlungstätigkeit als Kriminalbeamter und Ihrer Rolle in der SOKO-Ibiza im Jahr 2019 im Umfeld und gegen J. H. zu ermitteln?
NEOS:
Soko-Ibiza muss geklärt werden
NEOS-Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper zeigt sich erschüttert: „Unsere Befürchtungen wurden damit bestätigt. Es müssen rasch alle Fragen zur Zusammensetzung der Soko Ibiza geklärt werden. Wir wollen wissen, ob, zu welchem Zeitpunkt und wie die Befangenheit der eingesetzten Ermittler geprüft wurde. Das Innenministerium muss sich erklären und transparent handeln.“
Es darf in einer derart brisanten Causa von gesamtstaatlicher Bedeutung nicht den kleinsten Anschein parteipolitischer Befangenheit geben.
Stephanie Krisper
Peter
Pilz: ÖVP-nahe Ermittler abziehen
Peter Pilz begrüßt, dass der Innenminister die Soko Ibiza einer kritischen Überprüfung unterzogen hat. „Der Abzug eines Ermittlers zeigt, dass es Parteieinfluss auf einzelne Ermittler gegeben hat und dass der Innenminister hier für klare Verhältnisse sorgt“, würdigt Peter Pilz den Schritt des Ministers. Pilz erwartet, dass auch ÖVP-nahe Ermittler die Soko verlassen müssen. In diesem Zusammenhang regt Pilz auch an, dass der Innenminister im Nationalen Sicherheitsrat über die schwarzen und blauen Netzwerke in Polizei und Verfassungsschutz berichtet. „Peschorn hat noch mindestens zwei Monate Zeit, die Parteinetzwerke im Innenministerium auszuforschen und aufzulösen. Er hat dabei unsere volle Unterstützung.“
Fazit
Die Kooperationen und Verstrickungen mit österreichischen Kriminalbeamten und den Sicherheitsfachkräften der Firmen „Gruppe Sicherheit“ und „Konsic GmbH“ sind bei weitem intensiver, als bisher angenommen. Die parlamentarische Beantwortung von Peschorn und der Auszug aus dem Konsic GmbH Dokument lässt viel Interpretationsspielraum zu.
Quellen
NEOS: Alle offenen Fragen zur Zusammensetzung der Soko Ibiza müssen geklärt werden.
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20190906_OTS0163/neos-alle-offenen-fragen-zur-zusammensetzung-der-soko-ibiza-muessen-geklaert-werden
Pilz zur Soko Ibiza: Jetzt auch ÖVP-nahe Ermittler abziehen!
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20190907_OTS0016/pilz-zur-soko-ibiza-jetzt-auch-oevp-nahe-ermittler-abziehen
Projekt Mezzo und Operation Daviscup
Bisherige Publikationen über den Tabakkonzern auf einen Blick:
- Mezzo-Verschlussakt: Operation “Daviscup” – Beamte vom Bundeskriminalamt und der Finanzpolizei involviert
- Die Vorstrafen des Ibiza-Netzwerks
- Ibiza-Netzwerk: Peilsender, Kripo, Mezzo
- Ibiza-Hintermänner ermittelten für LKA, BK und Finanzpolizei
- Projekt “Lindwurm”: Ibiza-“Privatschnüffler” und Zoll
- Ibiza-Netzwerk: Undercover für Bundeskriminalamt und Finanzpolizei