Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München gegen den ehemaligen BVT-Abteilungsleiter Martin Weiss wurden eingestellt. Ihm wurde vorgeworfen, er hätte Jan Marsalek in der sogenannten Wirecard-Affäre bei der angeblichen „Flucht„ am 19. Juni 2020 geholfen. Die Anschuldigen erwiesen sich als haltlos. Nun wächst der Druck gegen die Staatsanwaltschaft Wien und die AG FAMA. Diese nahmen die Ermittlungen aus München gegen Weiss unter anderem zum Anlass, um ihn 2021 festnehmen zu lassen. Gegen den Wirecard-Mastermind Marsalek wird nach wie wegen mehrerer Vermögens- und Wirtschaftsdelikte in der Höhe von 1,9 Milliarden Euro ermittelt. Bis zum heutigen Tag ist sein tatsächlicher Aufenthaltsort unbekannt.
Rückblick: Der Vorwurf der Begünstigung war haltlos
Zum Zeitpunkt der angeblichen „Flucht“ des Jan Marsalek gab es keinen aufrechten Haftbefehl. Dieser wurde erst Tage später nach der Ausreise von Jan Marsalek aus Deutschland erlassen. Der konkrete Vorwurf der Begünstigung erschien schon damals auf wackligen Beinen, da die Ermittlungsbehörden selbst keinerlei Maßnahmen ergriffen hatten. Im Gegenteil: Selbst die Ausreise über Bad Vöslau mit dem Privatflugzeug erfolgte auf normale Art und Weise. Die Polizei führte eine gewöhnliche grenzpolizeiliche Ausreisekontrolle durch (Fass ohne Boden berichtete ausführlich: Wirecard und BVT: Das schwarze Imperium schlägt zurück).
„Kein hinreichender Tatverdacht“
Die Münchener Staatsanwaltschaft ermittelte daraufhin gegen Weiss wegen des Verdachts der Strafvereitelung durch seine Beteiligung an der Flucht Marsaleks. Weiss hatte dies stets zurückgewiesen. In einem Interview mit BR und Welt am Sonntag erörterte Weiss, er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass sich der Ex-Wirecard-Vorstand absetzen wollte.
Die Staatsanwaltschaft München konnte die Aussagen von Weiss offenbar nicht widerlegen. Daher habe sie die Ermittlungen eingestellt, so der BR, „da ein Tatnachweis im Sinne eines hinreichenden Tatverdachts nicht mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit zu führen ist“. Die Staatsanwaltschaft München bestätigte gegenüber dem BR: „Wegen weiterer Delikte wird gegen Herrn Weiß nicht ermittelt.“
„Modus operandi“ der österreichischen Behörden
Für die österreichischen Strafverfolgungsbehörden war das Ermittlungsverfahren in München eine Steilvorlage. Der „Modus operandi“ bei den Ermittlungsschritten rund um die AG FAMA erinnert aber immer mehr an die Konstellation der Soko-Tape (= Soko Ibiza). Doch diese ist mittlerweile Geschichte. Aufgrund angeblicher dienstrechtlicher Verfehlungen hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) der Soko Tape alle Ermittlungen entzogen und dem Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK) übertragen. Verständlich, da das Gesetz eindeutig die Zuständigkeiten bei Straftaten im §4 (Gesetz über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung – BAK-G) regelt. Als logische Konsequenz blüht dies nun auch der AG FAMA. Problematisch ist nur, dass die Ermittlungen bereits beim BAK sind.
„Rot-weiß-rote“ Ermittlungen?
Es entsteht immer mehr der Anschein, dass die österreichischen Ermittlungen rund um die ehemaligen BVT-Beamten Weiss und Ott politisch motiviert sind. Seit dem BVT-Untersuchungsausschuss ist bekannt, dass man bei loyalen Beamten im Fachjargon von „rot-weiß-roten“ Beamten spricht. Damit ist gemeint, dass die „richtigen“ Beamten, dank der ÖVP, auf den „richtigen“ Posten und Positionen sitzen und ermitteln.
Im vergangenen Jahr, Ende Jänner 2021, ließ die Wiener Staatsanwaltschaft den ehemaligen BVT-Abteilungsleiter festnehmen. Weiss war in Wien, um in der Causa „Foltergeneral“ auszusagen. (Anm. d. Red.: „Dank BVT: Foltergeneral bekommt Wohnung und Asyl“ – Fass ohne Boden berichtete ausführlich). Die Staatsanwaltschaft Wien stützte ihre Festnahmeanordnung unter anderem auf das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft in München.
Der langjährige BVT-Weggefährte von Martin Weiss, namentlich Egisto Ott, wurde vor wenigen Wochen im Wiener Landesgericht für Strafsachen wegen des Vorwurfs der Falschaussage rechtskräftig freigesprochen (Zackzack berichtete). Zur Erinnerung: Ott wurde zwei Tage nach Martin Weiss im vergangenen Jahr ebenfalls festgenommen. Die Festnahme von Ott wurde bereits für die AG FAMA zu einer einzigen Posse (siehe ebenfalls Zackzack).
Ausblick
Die zahlreichen Verfahren und Ermittlungen rund um Weiss und Ott haben mittlerweile die Aufmerksamkeit der „Fass ohne Boden“-Redaktion auf sich gelenkt. Die früheren Aktivitäten des ehemaligen Nationalratsabgeordneten Thomas Schellenbacher (FPÖ) lenkten unseren Fokus Aufmerksamkeit auf die Machenschaften am Semmering. Die spezielle Gemengelage sorgte für weitere Recherchen (siehe anhängiges Verfahren bei der StA Wien). Es wird Zeit, dass wir auch in diesem Themenkomplex für mehr Transparenz sorgen. Fass ohne Boden bleibt dran.